Abwarten

Ein paar Gedanken zum Thema „Abwarten“

Gleich vorweg: Ob mit oder ohne Tee – meistens klingt „Abwarten“ für uns eher nicht nach Vergnügen.

Warum fällt uns das so schwer? Was treibt uns, immer sofort etwas MACHEN zu wollen? Woher kommen diese Reflexe, die uns in Aktionismus versetzen oder zumindest ungeduldig und unduldsam werden lassen? Warum dauert uns immer alles zu lange und womit begründen wir eigentlich den Anspruch, immer alles sofort und am besten perfekt (d.h. unserem Wunsch gemäß) haben zu sollen? Und wieso eigentlich tun wir lieber etwas offensichtlich Blödsinniges als einfach mal nichts?

Natürlich, die Zeit ist schnelllebig, unser Leben muss dank dauernder Erreichbarkeit, ungezählter technischer Möglichkeiten, wachsender Ansprüche und nicht zuletzt aufgrund erhöhten sozialen Drucks heute ganz anders funktionieren als noch vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Das hat ja auch nicht nur Nachteile. Dennoch: Die meisten Vorteile sind recht oberflächlicher Natur und nicht wirklich „nachhaltig“. Wenn es darauf ankommt, sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen, nützt einem das neue Handy dann auch vergleichsweise wenig und „mehr Speicher“ ist zwar bekanntermaßen grundsätzlich gut, löst aber die Probleme und Fragen, die das Leben so mit sich bringt in aller Regel genauso wenig wie ein schnelleres Auto.

Was hat das mit Abwarten zu tun und warum sollte ausgerechnet das hilfreich sein? Im Grunde geht es nicht darum, auf irgendeinen Einfluss, Anstoß oder gar die Lösung des Problems von außen zu warten. Es geht vielmehr darum, einen Moment innezuhalten und sich selbst wieder zu spüren. Es geht darum, in dem ganzen Gewirr und Geräusch die oft nur zarte innere Stimme wieder zu hören. Was genau will ich eigentlich? Was tut mir jetzt gut? Die Antworten auf solche Fragen tragen wir in uns, aber wir hören sie oft nicht. Manchmal ist die innere Stimme so leise geworden, dass wir sie völlig vergessen haben. Manchmal haben wir aber auch einfach Angst vor dem eigenen inneren Wissen, weil es unbequem ist und uns nicht gefallen wird. Und so hören wir lieber weg, lenken uns ab und machen weiter wie bisher.

Was passiert nun, wenn wir „einfach mal abwarten“? Erst einmal nichts. Dann werden wir vielleicht ungeduldig, finden es blöd und sinnlos (Was könnte man jetzt nicht alles machen!?), zweifeln und hadern, sitzen jetzt schon vier Minuten tatenlos hier rum und es ist immer noch nichts dabei herausgekommen. Und dann fällt uns hoffentlich auf, wie schlecht wir da gerade mit uns selbst umgehen, wie lieblos wir uns antreiben, wie wenig Wertschätzung wir uns selbst geben.

Dann, und wirklich erst dann wird es möglich, herauszufinden was genau jetzt das Richtige ist. Kaum haben wir uns getraut und den Wunsch oder das Wissen formuliert, sind auch schon wieder die Stimmen aktiv, die uns das ausreden wollen. („Wie kommst du dazu jetzt dies oder das zu wollen, mach doch erst einmal jenes fertig“ oder „Dafür ist jetzt wirklich keine Zeit“ oder „Spinnst du?“ oder, oder, oder). Auch hier gilt es wieder, nicht dem Reflex zu erliegen, sondern einen Moment abzuwarten, zu spüren, hinzuhören: Wer spricht da eigentlich? Muss ich mir das jetzt anhören? Was passiert, wenn ich mich darüber hinwegsetze?

Am Ende geht es beim Abwarten also nicht darum nichts zu tun, sondern die eigene innere Landkarte wieder lesen zu lernen und für den vor uns liegenden Weg das eigene Tempo zu finden. Das wiederum ist – mit oder ohne Tee – zwar nicht immer einfach, aber auf jeden Fall lebendig und damit tatsächlich ein Vergnügen!

© ao


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