Loslassen von Glaubenssätzen
Das Thema ‚Loslassen‘ ganz allgemein füllt Bücher, Abende, Seminare, Therapien usw. Es betrifft jede/n von uns, es ist immer präsent und doch kaum zu fassen. Die einen halten an Gefühlen oder Emotionen fest, andere können nicht akzeptieren, dass etwas zu Ende geht (der schöne Abend, die Beziehung, die Jugend, das Leben…), der nächste hat seine unverrückbaren Grundsätze u.v.m.
Der gemeinsame Nenner bei allem Festhalten liegt darin, dass wir Veränderungen vermeiden wollen und das ist letztlich ein Vermeiden des Lebens. Unsere Aufmerksamkeit ist woanders als im jeweiligen Moment und wir machen uns das Leben damit schwer, dass wir es anders haben wollen als es ist.
Das Festhalten an Glaubenssätzen gehört dazu; ein Beispiel: „Ich kann Ungerechtigkeit nicht ertragen. Das regt mich einfach auf!“ So oder ähnlich rechtfertigen wir uns gern und schieben in diesem Fall „der Ungerechtigkeit“ die Schuld für unser Verhalten in die Schuhe. Wir lassen uns überhaupt nicht davon irritieren, dass unsere Aufregung in aller Regel nichts weiter bewirkt als eben aufgeregt zu sein, und das eigentliche Problem (hier „die Ungerechtigkeit“) davon nicht berührt wird.
Wenn wir der Sache auf den Grund gehen, stellen wir fest, dass diese Glaubensmuster irgendwann gelernt wurden und wir sie einfach behalten haben. Wir leben mit diesen Überzeugungen und halten sie für unsere eigenen, ganz unabhängig davon, ob sie noch angemessen sind oder nicht. An dieser Stelle kann man ansetzen und den Ursprung der Überzeugung suchen.
Wessen Stimme höre ich innerlich, wenn ich das denke? Wie geht es mir damit? Hilft mir das und wenn ja, wobei? Stimmt das für mich überhaupt? (Muss ich mich wirklich über jede Ungerechtigkeit aufregen?) Was passiert, wenn ich den Gedanken, die Überzeugung ablege? Wer bin ich dann, wie handle ich, wie fühlt sich das an?
Sehr oft stellen wird dann fest, dass uns der Automatismus des Musters lenkt – wir werden von einer alten und meist nicht mehr brauchbaren Überzeugung gesteuert. Kein Wunder, dass es uns damit nicht gut geht. Erstaunlich ist aber, dass wir uns so schwertun, es einfach sein zulassen. „Ab jetzt rege ich mich nicht mehr darüber auf“ klappt ja schließlich auch meistens nicht.
Es kann helfen, im Einzelfall zu schauen, welche Bedeutung die Angelegenheit für mich hat. Wenn es eine Ungerechtigkeit in einer wichtigen Angelegenheit ist (mein Kind hat in der Schule eine Beurteilung erhalten, die ihm nicht gerecht wird), hilft Aufregen allein zwar immer noch nicht, motiviert mich aber vielleicht zum Handeln (z.B. mal den Lehrer anzurufen und fragen, was es damit auf sich hat). Wenn ich es mal wieder total ungerecht finde, dass meine Schwester dünner ist als ich, habe ich offensichtlich ein ganz anderes Problem, das da gelöst werden möchte und das Aufregen lenkt mich davon nur ab. Wenn ich die Ungerechtigkeit der Welt beklage, mag mich das moralisch überlegen erscheinen lassen, hilft aber ohne entsprechendes Handeln auch nichts und nervt im Wesentlichen.
Wenn wir dem Muster folgen, lassen wir unsere Befindlichkeiten unser Verhalten regieren. Oft genug stören wir damit nicht nur uns selbst, sondern auch die Menschen in unserer Nähe, die das dann abbekommen. Wenn wir Verantwortung für unsere Gefühle übernehmen, stellt sich das anders dar.
Wann immer uns also eine alte Überzeugung begegnet, dürfen wir in Ruhe darüber nachdenken ob sie für uns immer noch stimmt, ob sie uns nützt oder schadet, ob wir sie brauchen oder sie für irgendetwas unter Umständen auch missbrauchen. Das Beispiel oben ist bewusst harmlos gewählt, denn es ist relativ einfach zu durchbrechen. Das ist zum Anfangen nützlich, denn es hilft auch nichts, wenn wir uns im Bemühen um mehr Selbstverantwortung überfordern.
Weniger harmlose Überzeugungen wie zum Beispiel „ich bin nichts wert“, „ich kann nicht lieben“, „ich bin nicht schlau genug“ usw. sind möglicherweise deutlich schwieriger herauszuarbeiten und auch abzuschaffen, obwohl die Methode genauso funktioniert: Wo kommt das her? Stimmt das wirklich und woran mache ich das fest? Wozu ist das gut? (Auch zerstörerische Überzeugungen haben einen „Nutzen“ – welchen?) Wer oder wie bin ich, wenn ich diese Überzeugung aufgebe? Welche Überzeugung passt besser zu mir? Was verändert sich? Gefällt mir das?
Wenn wir uns in bestimmten Situationen nicht wohlfühlen ist es also sinnvoll, nach dem Verhaltensmuster zu suchen, das da stören könnte, und zwar bei uns selbst!
© ao