Prioritäten

Prioritäten

„Wenn du wissen willst, was du willst, dann höre nicht auf das, was du sagst, sondern schau auf das, was du tust.“ Meine erste Reaktion auf dieses Zitat war: „So ein Quatsch“ – und wie immer sind wir an den Orten des größten inneren Widerstands der Wahrheit am nächsten.

‚So ein Quatsch‘ ist es nämlich nicht, sondern eher eine unbequeme Wahrheit, die uns darauf aufmerksam machen möchte, wie gut wir uns mit Worten selbst belügen können. Aus irgendeinem Grund kommt die wahre Priorität nicht zum Tragen. Vielleicht kennen wir unseren ureigensten Wunsch gar nicht, er ist uns einfach nicht bewusst und wir glauben, dass wir etwas anderes wollen. Oder wir gestehen uns diesen Wunsch nicht zu, haben Angst und trauen uns nicht, schämen uns, haben jetzt keine Zeit dafür, glauben, dass andere Dinge Vorrang haben – es gibt noch viele bewusste und unbewusste Gründe, in die eine oder andere Richtung Ausreden zu installieren.

Ich meine damit nicht Ausreden in der Art von „ Ich würde schrecklich gern zu deinem Blockflötenkonzert kommen, aber …“, wenn wir einfach nur keine Lust dazu haben, sondern ich meine die oft unbewussten Vermeidungsstrategien, mit denen wir uns selbst behindern und den eigenen Erfolg torpedieren. Wir meinen unser Pflichtgefühl ernst, wenn wir erst noch für die Kinder kochen müssen, bevor wir zum Beispiel bei der Laienbühne anrufen und um einen Termin zum Vorsprechen nachfragen. Und wenn wir nicht aufpassen, kommen noch dreitausend andere wichtige Dinge dazwischen und irgendwann „hat es ja dann eh keinen Zweck mehr“. Bei Licht betrachtet haben wir Angst, beim Vorsprechen abgelehnt zu werden und vermeiden deshalb die Herausforderung – so schnell verhungern die Kinder schließlich nicht, wenn es mal eine halbe Stunde später wird mit dem Essen.

Ganz häufig ist es die bewusste oder unbewusste Angst vor „Misserfolg“ in irgendeiner Art, die uns zu Weltmeistern im Ausredenerfinden werden lässt und damit die Prioritäten bestimmt. Das Angstgefühl hat sich also die Pole-Position gesichert und fährt vorweg. Angstgefühle gestehen wir uns aber nun einmal nicht so gern ein – meistens sind sie ja auch völlig unbegründet und eigentlich wissen wir das, aber… Die Bedenkenträger in unserem Kopf kennen jede Menge Techniken, uns zu verunsichern und dahingehend auf Kurs zu halten, dass wir bloß nichts ändern, kein Risiko eingehen. Wenn wir gar nicht erst anfangen, können wir schließlich auch nicht scheitern. Logisch, oder? Wenn wir nicht fertig werden (zum Beispiel mit einer Arbeit), weil immer noch etwas zu verbessern ist, vermeiden wir letztendlich auch nur die möglicherweise kritische Rückmeldung, also das „Scheitern“.

Noch wichtiger als die Frage danach, was jetzt Priorität hat, ist offensichtlich die Frage nach der Motivation – warum ist mir das jetzt so wichtig? Wozu ist das wirklich gut, wobei hilft mir das? Und dann darf ich noch einmal fragen: Will ich es wirklich? Ist es jetzt und hier tatsächlich so wichtig, dass alles andere hinten anstehen muss? Wie komme ich meinem eigentlichen Wunsch näher und wie stelle ich die Bedenkenträger ruhig? Wieder einmal darf ich mich im Vertrauen üben, dass ich es schon hinbekomme, wenn es wirklich wichtig ist. Und ich darf mich auch immer wieder dahingehend ermutigen, dass es in Ordnung ist, wenn etwas Wichtiges mehrere Versuche braucht, um richtig gut zu werden. Wirklich wichtig ist, dass ich selbst bestimme, was in meinem Leben Priorität hat und da auch ehrlich zu mir selbst bin. Eine wunderbare Langzeitübung 🙂

© ao


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