Vertrauen | Verbindlichkeit

Vertrauen | Verbindlichkeit

Vertrauen | Verbindlichkeit

Was ist das? Es ist die Bereitschaft, eine Verbindung einzugehen und dazu zu stehen – egal, was kommt. Im Ernstfall bis dass der Tod uns scheidet. Das bezieht sich natürlich nicht nur auf zwischenmenschliche Verbindungen. Wenn ich mir Geld leihe, habe ich auch Verbindlichkeiten, die es zu begleichen gilt. Wenn ich mit dem Auto losfahre, sind bestimmte Regeln zu beachten und auch dort ist Verbindlichkeit gefragt. Auch Steuern zu bezahlen ist eine verbindliche Sache.

An den Beispielen kann man schon erkennen, dass Verbindlichkeit nicht von jedem in jeder Hinsicht gleichermaßen ernst genommen wird. Sie ist also eine ziemlich individuelle Angelegenheit. Es gibt zwar so etwas wie allgemeine Verbindlichkeiten, im Grunde ist es aber eher ein „persönlicher Kodex“ der geprägt ist durch die jeweilige Struktur und Entwicklung – für den einen sind es die zehn Gebote, für den anderen das BGB oder sonst etwas. Manche Leute schaffen es, ein Leben lang jeder Form von Verbindlichkeit aus dem Weg zu gehen und nie so richtig JA oder NEIN zu etwas zu sagen.

Verbindlichkeit bedeutet immer, dass ich mich entscheide, mich auf etwas festlege. Das grenzt meine sonstige Freiheit mitunter maßgeblich ein und bedeutet auch immer Abhängigkeit in irgendeiner Form. Will ich das? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Was gibt mir das? Wie wichtig ist es mir, dass ich mich auf bestimmte Dinge blind verlassen kann bzw. glaube es zu können? Was bin ich bereit, dafür zu investieren?

Die mitunter „ultimative“ Festlegung ist es, die den meisten Menschen Angst bereitet. JA zu sagen zu etwas oder jemandem ist sehr viel schwieriger als VIELLEICHT oder NEIN zu sagen! Andererseits ist es wohl auch ein Fakt, dass wir lieber VIELLEICHT oder NEIN sagen, als dass wir es selbst hören wollen. Wir erwarten also in aller Regel von anderen mehr Verbindlichkeit als wir selbst zu geben bereit sind. Wenn ich aber nicht bereit bin, zu einem anderen Menschen bedingungslos JA zu sagen, kann ich das dann vice versa auch erwarten oder ertragen? Bin ich bereit, dieselbe Freiheit (oder Feigheit), die ich mir herausnehme, dem anderen auch zu gewähren? Wie viel Sicherheit brauche ich? Und wofür?

Verbindlichkeit und das Gefühl der Sicherheit gehen Hand in Hand. Die Sicherheitsbedürfnisse der Menschen sind sehr unterschiedlich und hängen nicht zuletzt davon ab, wie sicher sich ein Mensch mit und in sich selbst fühlt. Je sicherer ich bin, dass ich es schon geregelt bekomme (egal was), umso weniger Sicherheit und auch Verbindlichkeit brauche ich von anderen.

Was gibt mir Sicherheit? Wo finde ich sie? Gibt es Sicherheit überhaupt? Bei einem meiner Besuche in Klöstern habe ich einen Pater gefragt: „Zweifeln Sie eigentlich nie?“ „Doch“, hat er gesagt, „oft. Und genau da ist die Aufgabe: Immer wieder zum Vertrauen zurück zu finden, dass Gott weiß, was er tut. Er macht keine Fehler, selbst wenn mir irgendetwas gerade schwer fällt oder nicht gefällt. Der göttliche Plan ist perfekt. Menschen – ich eingeschlossen – sind es leider nicht.“

Verbindlichkeit ist demnach die Fähigkeit, mit dem Vertrauen in Verbindung zu bleiben. Dabei ist es nicht wichtig, ob ich es nun Gott nennen will oder eine andere Bezeichnung dafür finde. Die Überzeugung, dass das Leben einem höheren Plan folgt, der für jeden das Richtige will, steht im Vordergrund. Das Richtige ist dabei nicht unbedingt das, was für mich gerade schön, bequem, lustig oder aus anderen Gründen wünschenswert wäre. Es ist das, was mich in meiner Entwicklung am meisten fördert.

Ohne eine eigene Idee, was diese Entwicklung denn sein könnte, fällt es natürlich maßlos schwer, an einen höheren Plan zu glauben, Perspektiven zu erkennen, Visionen zu entwickeln, ein Ziel anzustreben. Ohne Fixpunkt am Himmel erkenne ich keine Richtung und fühle mich unsicher. In diesen Situationen suche ich dann nach Sicherheiten: Ein Vertrag, ein Liebesversprechen, ein Lottoschein oder andere im Grunde ungeeignete Dinge werden dann wichtig. Hoffnung ersetzt das Vertrauen und ich werde immer verzagter und unbeweglicher. Meine Wünsche regieren mein Leben. Das muss nicht falsch sein, Wünsche sind oft ein guter Wegweiser. Es ist aber auf jeden Fall zu wenig, sich etwas nur zu wünschen. Es bedarf immer auch der Bereitschaft, dafür ein Risiko einzugehen.

Wie verbindlich bin ich also mir selbst gegenüber? Wie verbindlich sind meine Überzeugungen für mich? Was sind denn überhaupt meine Überzeugungen und was sind Wünsche, Glaubenssätze, verbale Beruhigungspillen? Sage ich JA zu mir selbst mit allem Drum und Dran?

Bin ich bereit, mich voll und ganz auf mich einzulassen, mich selbst verbindlich anzunehmen, egal was kommt? Stehe ich zu mir und der Verbindung, die ich zu mir habe? Wie stark ist diese Verbindung? Spüre ich mich überhaupt? Will ich mich mit allen meinen Schmerzen, mit Trauer, Frust und Verzagtheit spüren? Halte ich meine innere Unsicherheit aus, meine unbefriedigten Bedürfnisse? Und alles im Vertrauen, dass das jetzt genauso richtig ist? Nix für Anfänger… Es braucht tatsächlich Übung, um den Vertrauensmuskel in mir stärker und stärker werden zu lassen. Wieder und immer wieder. Das erfordert wirklich Mut und Vertrauen. Sobald die Angst vor Verlust, Schmerz, Unannehmlichkeiten usw. die Oberhand gewinnt, schwindet das Vertrauen und wir suchen Hilfe in Kompromissen, oft in faulen.

Verbindlichkeit mag Verhandlungen aushalten, aber letztlich keine faulen Kompromisse. Ja ist Ja und Nein ist Nein. Überall dort, wo ich dazu nicht bereit bin, ist mir etwas nicht wirklich wichtig. Wenn es nicht so wichtig ist, ist Verbindlichkeit auch kein Thema und weitgehend verzichtbar. Damit sind wir wieder beim persönlichen Wertekodex. Was ist mir wichtig genug, damit ich mich verbindlich mache? Die Frage lohnt sich wirklich und führt einen immer näher zu sich selbst. Ein guter Weg.

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Erwartungen

Erwartungen

 

Erwartungen

Meine Idee vom Leben ist, dass es grundsätzlich gut ist und ein Geschenk. Es mag das eine oder andere Detail sich nicht nach meinen Wünschen gestalten – manchmal scheint es so, als wäre gar nichts so, wie ich es will – aber grundsätzlich ist zunächst einmal alles gut. Das ist meine Erwartung an das Leben und diese Haltung ist Teil der Gestaltung.

Jeder kennt die sich selbst erfüllenden Prophezeiungen oder erkennt sie zumindest bei anderen. Bei uns selbst ist das natürlich oft ganz anders – erschwerte Umstände, fehlendes Glück und manchmal auch noch Pech… Meistens haben wir bewusst oder unbewusst zu der jeweiligen Entwicklung beigetragen, auch aktiv! „Das klappt doch nie“ haben die meisten schon praktiziert – es hat dann häufig auch wirklich nicht oder nicht gut geklappt.

Weniger harmlos sind die nicht so offensichtlichen Erwartungen an das Leben, also unsere unbewussten Programmierungen, die uns zu mehr als 90% steuern. Da ist es wirklich schwierig, den eigenen Anteil am Geschehen zu erkennen. Oft tarnen sich massiver Pessimismus und fortwährende Negativität auch als „Vernunft“. Dagegen gibt es doch schließlich nichts einzuwenden, oder? Vernunft kann doch nicht schaden. Tut sie üblicherweise auch nicht, sie grenzt allenfalls ein. Wenn es aber gar keine Vernunft ist, sondern notorisches Gemecker und konsequentes Neinsagen, kann das schon schädlich sein.

Wenn Menschen kurz vor ihrem Tod auf ihr Leben zurückblicken, bedauern sie oft, was sie getan haben, viel öfter jedoch das, was sie versäumt haben. Wie kommt es zu diesen Versäumnissen? Wie kann es sein, dass wir es ein ganzes Leben lang schaffen, etwas Wichtiges zu versäumen? Wie schaffen wir es, weite Teile unseres Lebens in Angst, Zweifeln, Unzufriedenheit, Unglück oder Drama zu verharren?

Das hat unter anderem mit unseren Erwartungen an das Leben zu tun. Sie entwickeln sich aus den Erfahrungen die wir im Laufe unserer Sozialisation machen. Kurz gesagt erwarten wir, was wir kennen. Je offener und neugieriger wir also auf das Unbekannte sind, desto größer kann auch unser Erwartungshorizont werden, wenn wir das zulassen. Da hilft dann tatsächlich die Einstellung, dass das Leben gut ist und freundlich. Neugier ist einfacher, wenn wir keine Angst haben.

Spannend bei all den negativen Erwartungen ist ja, dass die wenigsten davon tatsächlich eintreten. Das hindert uns aber nicht daran, an unserer Idee festzuhalten. Dieses Festhalten hindert uns wiederum daran, über das Bekannte hinaus das Leben zu erforschen, indem wir uns nicht bewegen. Wir bleiben einfach stehen. Und weil unsere Erwartung negativ war, werten wir den Stillstand dann auch noch als Erfolg. Immerhin ist ja nichts Schlimmes passiert! Was ein Glück! Echt?

Was würde passieren, wenn wir das Gute erwarten anstatt des Schlechten? Richtig, viel mehr Gutes. Vor allen Dingen würden wir es nicht mehr als Erfolg werten, wenn im Grunde nichts passiert. Unsere Erfahrung würde sich verändern und damit auch die Erwartungen für die Zukunft. Und das würde, wenn wir jetzt konsequent die Idee weiter denken, zu noch mehr Gutem führen.

Können also unsere Erwartungen die Welt verändern? Vielleicht nicht die ganze Welt, aber auf jeden Fall unser eigenes Leben und damit dann vielleicht auch das der Menschen in unserer Nähe. Wer weiß? Ich mache wieder und wieder die Erfahrung, dass eine positive Erwartungshaltung zu positiven Erfahrungen führt und diese wiederum positiv sowohl auf mich als auch auf meine Umgebung wirken. Probieren Sie es doch auch mal aus und lassen Sie mich bzw. uns an Ihren Forschungsergebnissen teilhaben. Ich freue mich auf Ihre Beiträge!

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