Innere Widerstände
Oder auch: Unser EGO, das immer sofort weiß, was alles nicht geht und warum nicht. Unser Ego ist bekanntlich immer dort besonders stark, wo das Selbstwertempfinden schwach ist. Das kann einzelne Aspekte unserer Persönlichkeit betreffen oder im schlimmsten Fall auch den ganzen Menschen. Wer sich selbst ablehnt, ist auch ansonsten gegen alles und jeden im Widerstand.
Einfach nur dagegen zu sein und dort zu verharren kostet viel Kraft. Es ist dabei auch relativ gleichgültig, ob wir immer Recht haben, vernünftig sind, jetzt keine Zeit haben, das einfach dämlich und unter unserer Würde finden, kein Geld dafür haben, moralisch überlegen sind, kein Verständnis aufbringen können, es einfach jetzt nicht wollen oder was auch immer. Wir wehren uns gegen das Leben so wie es gerade ist. Das ist ungefähr so sinnvoll, wie sich gegen das Wetter aufzulehnen. Widerstand ist tatsächlich zwecklos, denn er ändert nichts. Bei schlechtem Wetter hilft das Meckern nicht, wohl aber geeignete Kleidung.
Für das richtige Leben heißt das, es anzunehmen wie es ist, sich geeignete Maßnahmen zu überlegen und das Bestmögliche aus der jeweiligen Situation zu machen. So einfach – und doch so schwierig. Genau das will unser Ego ja nicht. Es will nichts ändern müssen, sich nicht anpassen oder gar unterordnen müssen, es will die Kontrolle behalten. Immer.
Alles unter Kontrolle zu haben suggeriert Sicherheit und verschleiert Ängste und Unsicherheiten. Wer zum Beispiel Angst vor Zurückweisung hat, wird immer als erster NEIN sagen; wer das Chaos fürchtet ist immer gut organisiert und räumt auch allen anderen im Leben herum; aus lauter Angst vor lieblosem Verhalten der anderen werden wir selbst hart und lieblos; Angst vor Mangel erzeugt entweder Geiz oder übervolle Vorratsschränke; ein ordentlicher Wutanfall im Supermarkt bringt Mamas Aufmerksamkeit sofort zurück; Mitarbeiter, die ständig kontrolliert werden, verlernen das Denken und tun, was man ihnen sagt; oder ich kontrolliere die Situation, indem ich gleich alles selbst mache – die anderen können es ohnehin nicht so gut wie ich; die Liste könnte noch endlos weiter gehen. Allen Kontrollmethoden, Glaubensätzen ist gemeinsam, dass sie etwas verhindern anstatt ermöglichen wollen.
Um meine eigenen inneren Widerstände zu erkennen bzw. die Unsicherheiten und Ängste, die sich dahinter verstecken, ist es tatsächlich sinnvoll, mir mein eigenes Kontrollverhalten anzusehen. Wie sieht es aus und was will ich damit vermeiden? Wovor habe ich in dem jeweiligen Zusammenhang die meiste Angst? Und wie kann ich mit dieser Unsicherheit konstruktiv umgehen? In der Kindheit hat sich jede Unsicherheit lebensbedrohlich angefühlt und die Vermeidungsstrategien haben dort ihren Ursprung. Als erwachsene Menschen haben wir andere Möglichkeiten damit umzugehen und wir sind auch in der Lage, Gefühle der Unsicherheit auszuhalten. Und manchmal wollen sie tatsächlich genau das: einfach nur ausgehalten werden.
„Davon geht die Welt nicht unter und gestorben ist daran auch noch niemand“ ist mit Sicherheit nicht das, was wir in einer solchen Lage gern hören, aber es trifft den Kern der Sache. Wenn wir unsere Kräfte nicht mehr in den Widerstand gegen etwas investieren, werden sie frei und können sich konstruktiv verwirklichen. Im NEIN finde ich keine Lösung für mein Problem. Es ist – s.o. – einfach nur anstrengend. Für alle.
Ich halte also die Unsicherheit aus, wehre mich nicht länger gegen mein Gefühl und finde damit die Kraft, mir den nächsten Schritt zu überlegen, der mich aus dem Problem herausführt. Natürlich gibt es Probleme, die sich jetzt nicht lösen lassen und doch ist es ein Riesenunterschied, ob ich die Situation akzeptiere und das jeweils Beste daraus zu machen versuche oder ob ich mich dagegen wehre und damit erstrecht machtlos bin.
Die inneren Widerstände loszulassen bedeutet, im Moment zu leben, hier und jetzt präsent zu sein. Genau das ist das Leben: Präsenz hier und jetzt und nicht gestern oder morgen. Bei mir zu bleiben und mit meinen Gefühlen in Verbindung zu treten geht immer nur in diesem Moment. Widerstand verhindert Leben. Jedes Mal. Loslassen macht Platz für Lebendigkeit und die fühlt sich am Ende immer gut an. Es ist einen Versuch wert!
@ ao