Freiheit

Freiheit

 

Freiheit

In einem alten Song von Janis Joplin (Me and Bobby McGee) gibt es eine schöne Textzeile:

Freedom’s just another word for nothing‘ left to lose

Freiheit habe ich, wenn es nichts mehr zu verlieren gibt. Das klingt erst einmal ganz simpel und ist doch so ziemlich das Schwierigste, was es an Aufgaben im Leben zu erledigen gibt: die innere Freiheit zu finden und zu leben.

Warum ist das ausgerechnet in einer Zeit, die doch schon viele Freiheiten bietet, trotzdem so schwierig? Heißt „nichts mehr zu verlieren haben“ dass mir alles vollkommen gleichgültig ist? Ja und nein. Gleichgültig im Wortsinn heißt, dass alles gleichermaßen gilt, dem gleichen Wert und damit also die gleiche Gültigkeit hat. Nein, wenn Gleichgültigkeit aus einer „dann eben nicht“ Trotzreaktion entsteht. Nur weil ich es nicht haben kann, ist es deswegen nicht weniger wert.

Wo liegt also die Freiheit? Tatsächlich dort, wo meine Bewertung keine Unterschiede mehr macht. Das bedeutet, dass ich meine Wünsche und Vorstellungen nicht mehr als Maßstab anlege. Das klingt zunächst unlogisch. Schließlich bekommen die Dinge doch ihren Wert dadurch, dass ich sie für wertvoll erachte, oder? Ja, stimmt. Und genau da bin ich dann unfrei.

Besitz bindet. Das gilt im materiellen Sinn wie auch emotional. Wenn die fünf Tonnen schwere Bronzestatue von Tante Ilse mein kostbarster Besitz ist, wird jede Wohnungssuche zum Problem und der Umzug erstrecht. Wenn mein Partner alles für mich ist, birgt das gewisse Tücken. Ich habe bzw. nehme mir nicht mehr die Freiheit ich zu sein und mache jede Menge Zugeständnisse, um ihn nur nicht zu verlieren. Dafür verliere ich mich. Ist es das wert?

Hier wäre Gleichgültigkeit im Sinne von Gleichwertigkeit eine Option. Wenn mein Wert nicht mehr an ihn gebunden ist, sondern wir gleichwertig sind, steigt nicht nur der Gesamtwert der Verbindung. Es wächst auch die Freiheit, die jeder von beiden genießt. Das hat natürlich einen Preis: Ich muss bereit sein, für mich selbst und meine Gefühle die Verantwortung zu übernehmen.

Das klingt mal wieder einfacher, als es im Echtbetrieb dann ist. Wir haben es nämlich nicht gelernt. Wir wissen normalerweise immer, wer schuld ist (die anderen) und warum wir uns mit allem Recht darüber ärgern dürfen. Aber: Mein Ärger gehört mir und sonst niemandem. Ich kann also auch anders reagieren und mich zum Beispiel fragen, warum mich das eine oder andere Verhalten denn so auf die Palme bringt. Der Grund dafür ist immer in mir, nie beim anderen. Das gilt für positive Gefühle gleichermaßen. Wenn ich meinen Partner dafür liebe, dass er mir wöchentlich einen Blumenstrauß schenkt, ist auch etwas faul. Hört meine Liebe auf, wenn er das nicht mehr macht? Und ist es nicht sowieso eher ein Deal als ein Gefühl?

Ein anderes Problem liegt darin, dass wir unsere Gefühle oft gar nicht vollständig wahrnehmen. Das ist völlig normal. Wir alle haben als Kinder bestimmte (meist schmerzliche) Gefühle verdrängt und tun uns auch als Erwachsene oft noch schwer, sie zu spüren. Trauer zum Beispiel, Hilflosigkeit, Verletztheit, Angst usw. Andere mussten Lebendigkeit, Lebensfreude, Spieltrieb etc. hinten anstellen, weil das in der Familie nicht gern gesehen wurde.

 

Worauf ich hinaus will ist folgendes: Bevor wir einen Weg finden, auch die vermeintlich unangenehmen Gefühle zu spüren, haben wir oft einen großen Berg davon „abzuarbeiten“, kommen aber am Ende an den Punkt, an dem sie nicht mehr wehtun. Gefühle wollen gefühlt werden und hören auch wieder auf. Kleine Kinder, die in kürzester Zeit zwischen Wutanfall und Heulkrampf und fröhlichem Lachen und Spielen hin und her wechseln, sind ein gutes Beispiel. Sie leben ihr Gefühl wenn es da ist, und damit ist es auch gut.

Es sind die unterdrückten, nicht gelebten Gefühle, die uns ein Leben lang wehtun und die wir immer gern auf andere übertragen. Wir sind uns dessen nicht bewusst und deswegen ist es auch so schwierig, an diese Gefühle heranzukommen.

Gesetzt den Fall, wir haben uns Zugang verschafft – durch Meditation, durch Körperarbeit, durch Therapie oder anderes – besteht die nächste Aufgabe darin, die Bewertung aufzugeben. Klar, Verliebtsein ist angenehmer als Traurigsein, aber es gibt kein Gut und Schlecht. Auch hier darf Gleichgültigkeit im Sinne von Gleichwertigkeit – es sind alles Gefühle – einen Platz finden. Im Ergebnis muss ich dann vor keinem Gefühl mehr Angst haben. Ich halte es aus in dem Wissen, dass es auch wieder aufhört. Ich verliere nicht grundsätzlich mein Glück, wenn ich meiner Traurigkeit Raum gebe. Ich verliere nicht sofort meinen Partner, wenn ich meinen Wünschen und Bedürfnissen Ausdruck gebe. Nein sagen darf ich auch – genauso wie ja sagen. Alle Gefühle sind bei mir und ich kann sie nicht verlieren, denn sie gehören zu mir. Das schafft tatsächlich Freiheit.

©ao

 

Ich bin das

Ich bin das

 

Ich bin das

Wer sich auf dieser Webseite umschaut, begegnet immer wieder der Idee der Ganzheit, die sich unter anderem als „Einheit von Körper, Geist und Seele“ zeigt. Eine andere Form der Ganzheit könnte zum Beispiel mit „Licht und Schatten“ beschrieben werden. Im Licht stehen dabei die Qualitäten, die wir an uns kennen und möglicherweise schätzen, im Schatten steht all das, was wir nicht kennen, was wir verdrängt haben, was wir uns nicht erlauben usw.

In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis nicht neu, dass unsere Mitmenschen uns genau die Anteile zeigen, die wir an uns selbst nicht sehen können. Alle Menschen, die uns begegnen, fungieren in irgendeiner Weise als Spiegel bzw. als Bildschirm. In der Regel können andere Menschen unsere versteckten Anteile auch sehen, nur wir selbst sind dafür blind.

Unseren Partnern und Kindern kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Eine klassische Konstellation ist zum Beispiel ein wildes und chaotisches Kind, das bei ordnungswütigen Spießern „landet“ und vom ersten Moment an die heilige Ordnung torpediert. Wie konnte das geschehen? Wir sind doch gar nicht so? Woher hat das Kind das nur? Fragen über Fragen. (Besonders „wilde“ Eltern haben übrigens häufig spießige Kinder :-).

Das Kind hat sozusagen die Aufgabe übernommen, all das auszuleben, was die Eltern sich nicht erlauben oder trauen etc. Es zeigt die „Schattenseiten“ gnadenlos auf. In aller Regel nivelliert sich die Diskrepanz zwischen Eltern und Kind, wenn die Eltern ihren Schatten ein Stück weit zu sich holen und selbst dadurch vollständiger werden. In dem oben beschriebenen Beispiel könnte das bedeuten, dass die Eltern sich selbst etwas mehr Unordentlichkeit zugestehen. Dann muss das Kind das nicht mehr allein machen und kann seine Energien anderweitig einsetzen, also auch selbst vollständiger werden.

Wenn uns also in einem anderen Menschen etwas begegnet, mit dem wir partout nichts zu tun haben wollen, ist es an der Zeit, auf die Suche zu gehen. „Ich bin das“ ist dabei ein guter Einstiegssatz. In der Idee, dass jeder gesunde Mensch grundsätzlich alle Eigenschaften (in unterschiedlicher Gewichtung) hat und über die vollständige Skala aller Gefühle verfügen kann, gibt es diese Eigenschaft / dieses Gefühl – so grässlich oder beängstigend sie auch sein mögen – folglich auch in mir. Ich bin das. Dieser aggressive Wüterich, der dauernd die Kontrolle verliert und sich unmöglich benimmt, soll ich sein? Vielleicht nicht ganz, aber Aggressionen habe ich ganz bestimmt auch, in diesem Fall verdrängte. Es ist auf jeden Fall gut für mich und meine Gesundheit, dem mal nachzuspüren.

Wenn ich auf das schaue, was mich an anderen besonders stört, finde ich schnell heraus, was ich selbst wahrscheinlich nicht oder nicht ausreichend in mein Leben integriert habe. Aggression und Angst kommen häufig vor. Arroganz, Dreistigkeit, Gier, aber auch Lebensfreude und Lust. Wenn wir einen kurzen Blick auf das allgemeine Verhältnis zur Sexualität werfen, sehen wir sofort, was im kollektiven Bewusstsein unterdrückt und verdrängt wird. Davon sind wir auch als einzelne Menschen nicht frei.

 

„Ich bin das“ hilft mir, die ungelebten Anteile in mir zu finden. Der nächste Schritt besteht darin, diese Anteile – einen nach dem anderen – anzuerkennen. Ich bin das – ohne jegliche Wertung. Das ist nicht einfach. Schließlich haben wir ein genaues Bild davon, wer wir gern sein möchten, was wir auf keinen Fall wollen oder dürfen.

Die Welt ist aufgeteilt in Gut und Böse und das bestimmt unser Selbstverständnis. Um die Idee des „Ich bin das“ tatsächlich leben zu können, müssen wir uns von dieser Polarität bzw. der Einteilung in gute und schlechte Eigenschaften trennen. Bezogen auf den Ordnungsbegriff sind Chaos und Ordentlichkeit die beiden Pole der Ordnung an sich. Sie stellen die Flexibilität im System oder aber die mehr oder weniger fortgeschrittene Erstarrung dar. Weder das eine noch das andere ist dabei grundsätzlich gut oder schlecht. Es geht vielmehr darum, die situationsadäquate Intensität zu finden.

„Ich bin das“ lässt uns einen Moment innehalten und in der jeweiligen Situation präsent sein. Es schafft Verständnis und Vertrauen, macht uns in unserem Empfinden und unserer Kommunikation auf die Dauer vollständiger. Wir werden lebendiger. Ich bin das, auch wenn es im Moment den Rahmen des Bekannten oder Erwünschten sprengt. IMMER.

©ao

Veränderungen Teil II

Veränderungen Teil II

 

 

Veränderungen Teil II

In ihrem Buch „Gesundheit für Körper und Seele“ beschreibt Louise Hay sehr viele kluge und treffende Erkenntnisse. Ein Satz – ich weiß nicht einmal mehr, wo genau ich ihn gelesen habe – hat mich wie ein Mantra seither auf meiner Reise begleitet:

„Ich bin bereit, mich zu verändern.“

Das klingt recht schlicht, eigentlich, und ist doch von einer Tragweite, die sich zunächst nicht erschließt. Es geht nämlich nicht darum, eine bestimmte Veränderung zuzulassen, also 3 kg weniger wiegen zu wollen oder ähnliches. Es geht vielmehr darum, Veränderung grundsätzlich willkommen zu heißen, ohne sie im Detail zu kennen und vor allem, ohne sie selbst ‚ausgesucht‘ zu haben.

Im Grunde geht es dabei um Vertrauen. Ich vertraue darauf, dass das Leben freundlich ist und mir nicht schaden will. Ich vertraue darauf, dass alle Erlebnisse die faire Chance auf persönliches Wachstum beinhalten. Ich vertraue darauf, dass am Ende alles gut ist und einen Sinn ergibt, auch ohne dass ich ihn (sofort) erkenne. Das ist so ziemlich das schwierigste überhaupt.

Dieses unbedingte Vertrauen, mit dem wir alle auf die Welt gekommen sind, haben wir in der Regel auch so ziemlich alle irgendwann verloren. Wir beschäftigen uns mit Kopfkino, hegen Befürchtungen, ängstigen uns, sind voller Misstrauen in uns selbst und andere. Es kann ja so viel passieren. Und was mache ich dann?

Zum Beispiel bereit sein. Bereit sein, Veränderungen anzunehmen. Bereit sein, die eigenen Sichtweisen in Frage zu stellen. Bereit sein, den anderen mit anderen Augen zu betrachten oder auch mich selbst. Bereit sein, andere Wege zu finden oder überhaupt nur für möglich zu halten. Bereit sein, das Leben erst einmal passieren zu lassen, bevor ich es manage. Bereit sein, mir selbst und meinen Fähigkeiten zu vertrauen. Bereit sein, den anderen Menschen zu vertrauen. Etc.

Bereit sein also, das Leben so anzunehmen, wie es gerade ist. Und genau dafür muss ich bereit sein, mich zu verändern, denn zumindest meiner Erfahrung nach macht sich das Leben nicht allzu viel aus meinen Plänen und Vorstellungen. Manchmal gibt es Übereinstimmungen, oft genug auch nicht [sic].

In diesem ganzen Prozess ist tatsächlich der erste Schritt, also die Bereitschaft nicht nur zu bekunden, sondern wirklich zu fühlen, der längste und schwierigste. All die Befürchtungen, Ängste und Zweifel, die wir so hegen, kommen ans Licht. Und überhaupt: Wieso soll ausgerechnet ich mich ändern? Das können die anderen doch bitteschön genauso gut! Oder sogar besser. Was habe ich davon, wenn ich mich ändere und die anderen einfach so weiter machen wie immer? Sobald wir uns diese Fragen stellen, sind wir in eine beliebte Falle gelaufen, die unser Ego uns stellt. Es suggeriert uns, gut für uns zu sorgen, will aber letztendlich nur das Bekannte und Etablierte behalten. Das Ego hasst Veränderungen.

„Ich bin bereit, mich zu verändern“ heißt auch, mich auf das Unbekannte einzulassen, eben nicht zu wissen, was als nächstes geschieht oder sofort zu erkennen, warum etwas passiert. Es bedeutet, das Ego weitgehend auszuschalten (es wird sich wehren!). Wenn ich die innere Bereitschaft zur Veränderung entwickle und pflege, bedeutet das eine Hinwendung zum Leben im aktuellen Moment. Ich nehme an, was gerade kommt und wie es kommt. Das muss mir nicht unbedingt gefallen, aber ich habe die innere Sicherheit, dass ich damit zurecht komme. Ich bin bereit, mich zu verändern. Ich bestehe nicht darauf, dass alles so kommt, wie ich es mir vorstelle. Ich kann mit veränderten Gegebenheiten umgehen, weil ich selbst die Veränderung in mir und für mich zulasse bzw. willkommen heiße.

Ich bin bereit, mich zu verändern und das Leben geschehen zu lassen. Eine wunderbare Grundlage für mehr inneren Frieden und Lebensfreude. Wirklich!

© ao