Ich bin das

Ich bin das

 

Ich bin das

Wer sich auf dieser Webseite umschaut, begegnet immer wieder der Idee der Ganzheit, die sich unter anderem als „Einheit von Körper, Geist und Seele“ zeigt. Eine andere Form der Ganzheit könnte zum Beispiel mit „Licht und Schatten“ beschrieben werden. Im Licht stehen dabei die Qualitäten, die wir an uns kennen und möglicherweise schätzen, im Schatten steht all das, was wir nicht kennen, was wir verdrängt haben, was wir uns nicht erlauben usw.

In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis nicht neu, dass unsere Mitmenschen uns genau die Anteile zeigen, die wir an uns selbst nicht sehen können. Alle Menschen, die uns begegnen, fungieren in irgendeiner Weise als Spiegel bzw. als Bildschirm. In der Regel können andere Menschen unsere versteckten Anteile auch sehen, nur wir selbst sind dafür blind.

Unseren Partnern und Kindern kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Eine klassische Konstellation ist zum Beispiel ein wildes und chaotisches Kind, das bei ordnungswütigen Spießern „landet“ und vom ersten Moment an die heilige Ordnung torpediert. Wie konnte das geschehen? Wir sind doch gar nicht so? Woher hat das Kind das nur? Fragen über Fragen. (Besonders „wilde“ Eltern haben übrigens häufig spießige Kinder :-).

Das Kind hat sozusagen die Aufgabe übernommen, all das auszuleben, was die Eltern sich nicht erlauben oder trauen etc. Es zeigt die „Schattenseiten“ gnadenlos auf. In aller Regel nivelliert sich die Diskrepanz zwischen Eltern und Kind, wenn die Eltern ihren Schatten ein Stück weit zu sich holen und selbst dadurch vollständiger werden. In dem oben beschriebenen Beispiel könnte das bedeuten, dass die Eltern sich selbst etwas mehr Unordentlichkeit zugestehen. Dann muss das Kind das nicht mehr allein machen und kann seine Energien anderweitig einsetzen, also auch selbst vollständiger werden.

Wenn uns also in einem anderen Menschen etwas begegnet, mit dem wir partout nichts zu tun haben wollen, ist es an der Zeit, auf die Suche zu gehen. „Ich bin das“ ist dabei ein guter Einstiegssatz. In der Idee, dass jeder gesunde Mensch grundsätzlich alle Eigenschaften (in unterschiedlicher Gewichtung) hat und über die vollständige Skala aller Gefühle verfügen kann, gibt es diese Eigenschaft / dieses Gefühl – so grässlich oder beängstigend sie auch sein mögen – folglich auch in mir. Ich bin das. Dieser aggressive Wüterich, der dauernd die Kontrolle verliert und sich unmöglich benimmt, soll ich sein? Vielleicht nicht ganz, aber Aggressionen habe ich ganz bestimmt auch, in diesem Fall verdrängte. Es ist auf jeden Fall gut für mich und meine Gesundheit, dem mal nachzuspüren.

Wenn ich auf das schaue, was mich an anderen besonders stört, finde ich schnell heraus, was ich selbst wahrscheinlich nicht oder nicht ausreichend in mein Leben integriert habe. Aggression und Angst kommen häufig vor. Arroganz, Dreistigkeit, Gier, aber auch Lebensfreude und Lust. Wenn wir einen kurzen Blick auf das allgemeine Verhältnis zur Sexualität werfen, sehen wir sofort, was im kollektiven Bewusstsein unterdrückt und verdrängt wird. Davon sind wir auch als einzelne Menschen nicht frei.

 

„Ich bin das“ hilft mir, die ungelebten Anteile in mir zu finden. Der nächste Schritt besteht darin, diese Anteile – einen nach dem anderen – anzuerkennen. Ich bin das – ohne jegliche Wertung. Das ist nicht einfach. Schließlich haben wir ein genaues Bild davon, wer wir gern sein möchten, was wir auf keinen Fall wollen oder dürfen.

Die Welt ist aufgeteilt in Gut und Böse und das bestimmt unser Selbstverständnis. Um die Idee des „Ich bin das“ tatsächlich leben zu können, müssen wir uns von dieser Polarität bzw. der Einteilung in gute und schlechte Eigenschaften trennen. Bezogen auf den Ordnungsbegriff sind Chaos und Ordentlichkeit die beiden Pole der Ordnung an sich. Sie stellen die Flexibilität im System oder aber die mehr oder weniger fortgeschrittene Erstarrung dar. Weder das eine noch das andere ist dabei grundsätzlich gut oder schlecht. Es geht vielmehr darum, die situationsadäquate Intensität zu finden.

„Ich bin das“ lässt uns einen Moment innehalten und in der jeweiligen Situation präsent sein. Es schafft Verständnis und Vertrauen, macht uns in unserem Empfinden und unserer Kommunikation auf die Dauer vollständiger. Wir werden lebendiger. Ich bin das, auch wenn es im Moment den Rahmen des Bekannten oder Erwünschten sprengt. IMMER.

©ao

Den Dingen ihren Platz geben

Den Dingen ihren Platz geben

Man sagt, dass es für alles den richtigen Zeitpunkt und auch den richtigen Ort gibt. Das klingt wie eine Küchenkalenderweisheit und im Grunde ist es das auch, weil es immer irgendwie stimmt. Und wie immer, wenn alles irgendwie stimmt, bemerken wir es kaum. Das ändert sich schlagartig, wenn die Ordnung der Dinge verrutscht, weil Ereignisse oder Menschen in unserem Leben Platz nehmen.

Das „Platz nehmen“ ist hier wörtlich gemeint. Ereignisse, wie zum Beispiel eine Erkrankung, ein Unfall, aber auch ein Lottogewinn, eine Liebesaffäre usw. nehmen sich ihren Platz. Auch Menschen – die unfreundliche Nachbarin, der Exmann, die Schwiegermutter etc. – nehmen sich ihren Platz. Je drastischer die Erfahrung ist, umso eher merken wir, dass da etwas oder jemand in unserem Leben einen Platz eingenommen hat, den wir möglicherweise dafür gar nicht vorgesehen hatten. Auf einmal kreisen unsere Gedanken nur noch um ein Thema oder wir meiden bestimmte Orte oder wir sind einfach nur nervös und angespannt und wissen nicht einmal genau, warum das so ist.

Interessant ist an dieser Stelle die Beobachtung, dass unsere Gegenwehr den Prozess offenbar verstärkt. Je mehr ich mich dagegen wehre etwas oder jemanden zu akzeptieren (z.B., dass diese b…. K.. mich einfach nicht zuerst grüßen will :-)) umso mehr Platz nimmt das Ereignis in meinen Gedanken und Gefühlen ein. Paul Watzlawick hat das in der Geschichte mit dem Hammer sehr treffend beschrieben. Wir steigern uns in die Empfindungen hinein und geben ihnen damit die Möglichkeit zu wachsen und dann regieren diese gemachten Gefühle unser Handeln.

Wie kann es dazu kommen? Wenn wir auf dem Gedankenweg ein Stück zurückgehen, landen wir irgendwann bei einem Wunsch bzw. einer Erwartung. Wir möchten, dass dieses oder jenes genau so und nicht anders ist. Wir finden das aus irgendwelchen Gründen richtig; Wir glauben, dass wir einen Anspruch auf etwas haben; Wir kennen es nicht anders; usw. Die Liste ist quasi endlos. Die Wirklichkeit entspricht diesem Wunsch aber nicht und wir beginnen, die Umstände bzw. ganz oft auch die anderen beteiligten Personen ändern zu wollen, damit wir uns nicht selbst ändern müssen.

Vermutlich hat jede/r von uns schon die Erfahrung machen dürfen, dass das nicht wirklich gut funktioniert. Erstens ist es unglaublich anstrengend und zweitens in aller Regel sinnlos, selbst wenn kurzfristige Änderungen eintreten und wir für den Moment zufrieden gestellt sind. Am Ende haben wir immer die Verantwortung für unser Gefühl nach außen delegiert, anstatt sie selbst zu tragen. „Du sollst das machen“ ist eine Äußerung, die man oft von kleinen Kindern hört, die etwas wollen und es sich nicht zutrauen. Genauso benehmen wir uns auch als Erwachsene, wenn wir erwarten, dass andere sich dafür anstrengen, unsere Wünsche zu erfüllen. Damit ist nicht die freiwillige Anstrengung gemeint, die jemand gern übernimmt weil er uns beschenken will, sondern die zum Beispiel durch fortwährendes Genörgel erzwungene.

Was hilft also? Klarheit zu finden über die eigenen Wünsche und Erwartungen ist schon einmal ein guter Anfang. Was brauche ich wirklich, wenn ich mich darüber beklage, dass mein Göttergatte so unordentlich ist? Ich möchte mit meinem Bedürfnis nach Ordnung und Schönheit respektiert werden. Soweit so gut. Er ist aber nun einmal schlampig und lässt alles herumliegen, das ist definitiv nicht ordentlich und auch nicht schön. Andererseits bringt er oft Blumen mit, hat auf Geschäftsreisen noch immer irgendeine nette Kleinigkeit für mich gefunden, kann mich wunderbar bekochen und anderweitig verwöhnen,… Das sind alles durchaus respektvolle Handlungen, aber nicht das, was ich jetzt will. Er soll gefälligst seine Sachen wegräumen, weil mich das Chaos stört. Dabei übersehe ich ein wichtiges Detail: MICH stört das. Wenn ich also möchte, dass mein Bedürfnis nach Ordnung und Schönheit respektiert wird, darf ich dem auch selbst Rechnung tragen. Ich räume auf, was mir im Weg liegt und gebe damit – auch im übertragenen Sinn – den Dingen ihren Platz.

Was mit herumliegenden Gegenständen geht, klappt mit etwas Übung auch mit Gedanken und Gefühlen. Ich muss mich nicht jedes Mal aufs Neue darüber aufregen, dass sich jemand auf eine Weise verhält, die ich nicht in Ordnung finde. Ich kann Wege finden, diesen Menschen so zu lassen wie er ist und gleichzeitig für meine Bedürfnisse sorgen. Das ist durchaus eine anspruchsvolle Aufgabe, aber es lohnt sich auf jeden Fall, es immer wieder zu versuchen. Es lohnt sich vor allen Dingen, damit bei mir selbst anzufangen und mich selbst immer öfter so zu lassen wie ich bin während ich dafür sorge, dass ich alles habe, was ich brauche. Das hat mit Respekt zu tun und kann lebensrettend sein. Es macht außerdem auf Dauer wirklich glücklich, selbst wenn mal wieder irgendwer (ich selbst eingeschlossen) irgendetwas „falsch“ gemacht hat bzw. wenn das Leben sich nicht sonderlich für meine Wünsche interessiert.