Begegnungen

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Begegnungen

In ihrem Buch „Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest“ beschreibt Eva-Maria Zurhorst unter anderem sehr treffend, dass wir uns im anderen immer selbst begegnen. Wir bewundern die Eigenschaften, die wir selbst gern hätten, aber nicht hinreichend entwickeln konnten und wir verabscheuen genau die Eigenschaften, die wir uns selbst nicht erlauben oder zutrauen. Je mehr und umfassender wir uns selbst mögen, desto großzügiger sind wir auch anderen gegenüber. Simpel, oder? Damit könnte der Text dann auch enden, aber es ist eben nur simpel und damit noch lange nicht einfach.

Warum ziehen wir bestimmte Menschen an und andere nicht? Gleich und gleich gesellt sich gern, heißt es, aber angeblich ziehen sich auch Gegensätze an. Stimmt entweder das eine oder das andere oder am Ende beides zusammen? Wie soll das gehen?

Weit über 90% unserer Entscheidungen treffen wir unbewusst. Lange bevor unser Verstand eine wortreiche und mehr oder weniger einleuchtende Erklärung formuliert hat, hat unsere Intuition – das Unbewusste, das Bauchgefühl, oder wie auch immer wir das nennen wollen- die Entscheidung schon lange getroffen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Intuition als innere Instanz immer den Zweck verfolgt, uns in unserer Entwicklung zu helfen, dürfen wir gleichermaßen davon ausgehen, dass wir das bekommen, was wir im Moment für ebendiese Entwicklung am meisten brauchen. Das kann der krasse Gegensatz zu uns selbst sein oder eben auch nicht.

Daraus folgt, dass uns unsere Begegnungen unter anderem Aufschluss darüber geben können, was wir gerade brauchen. Das ist uns nur leider oft nicht bewusst und ebenso oft gehen wir davon aus, dass der/die/das andere nichts mit uns zu tun hat und damit auch nicht beachtet oder im schlimmsten Fall sogar bekämpft werden muss. Fakt ist aber auch, dass wir dem begegnen, was wir gut kennen – manchmal auch immer wieder… Frauen heiraten Männer, die wie ihre Väter sind, Männer verlieben sich in Frauen, die an ihre Mütter erinnern, Menschen entwickeln ein „Beuteschema“ usw.

Das Bekannte wie das vermeintlich Unbekannte wollen uns darauf hinweisen, dass es in unserem Leben Klärungs- bzw. Heilungsbedarf gibt. Wir bekommen die Gelegenheit, den anderen Menschen als Spiegel zu betrachten für das, was uns an uns selbst nicht bewusst ist, schon lange abgelehnt wird, nie leben durfte etc. Jede Begegnung ist ein solcher Spiegel für uns und es kommt darauf an herauszufinden, was uns da gespiegelt wird. Das ist oft nicht ganz einfach. Schließlich ist es uns ja nicht bewusst oder wir verdrängen es schon lange, weil es einfach nicht sein durfte. Oft sind auch traumatische Erlebnisse der Grund für das Wegschauen.

Und doch ist es lohnend, sich zu fragen, was genau am anderen entweder der Störfaktor oder die faszinierende Eigenschaft ist. Genau diese Eigenschaft ist es, die in uns selbst erkannt und gelebt werden will. Dabei lohnt es sich, genau hinzuschauen. Unsere „guten“ Eigenschaften und Fähigkeiten verstecken wir nämlich mindestens genauso geschickt wie die vermeintlich „schlechten“ Züge an uns.

Ebenso lohnend ist es auch, seine Grund- und Glaubenssätze zu erforschen, vor allen Dingen wenn man sich oft enttäuscht fühlt. Einer Enttäuschung liegt immer eine Täuschung zugrunde, auch das gerät leicht in Vergessenheit und wir glauben, dass unsere Grundsätze die Basis allen Handelns sein sollten. Wenn ich also z.B. notorisch pünktlich bin und dauernd an Leute gerate, die es mit der Pünktlichkeit nicht so genau nehmen, darf ich da mal nachschauen. Vielleicht begegnen mir diese rücksichtslosen Menschen ja aus gutem Grund und ich darf lernen, in manchen Dingen großzügiger zu sein oder auch nicht immer alles auf mich zu beziehen. Ich finde ja auch, dass Pünktlichkeit ein Zeichen von Respekt ist und Unpünktlichkeit demnach respektlos, aber nicht jeder sieht das so. Auf jeden Fall darf ich in mich hineinhorchen, warum mir das so wichtig ist bzw. ich mir auch selbst keine Unpünktlichkeit erlauben würde. Und bin ich selbst tatsächlich immer pünktlich?

Egal, was ich nun im Einzelnen herausfinde, jede Begegnung hilft mir, mich selbst besser kennen zu lernen oder auch nur wahrzunehmen. Es lohnt sich also auf jeden Fall, Begegnungen aufmerksam und neugierig zu gestalten!

©ao

Den Dingen ihren Platz geben

Den Dingen ihren Platz geben

Man sagt, dass es für alles den richtigen Zeitpunkt und auch den richtigen Ort gibt. Das klingt wie eine Küchenkalenderweisheit und im Grunde ist es das auch, weil es immer irgendwie stimmt. Und wie immer, wenn alles irgendwie stimmt, bemerken wir es kaum. Das ändert sich schlagartig, wenn die Ordnung der Dinge verrutscht, weil Ereignisse oder Menschen in unserem Leben Platz nehmen.

Das „Platz nehmen“ ist hier wörtlich gemeint. Ereignisse, wie zum Beispiel eine Erkrankung, ein Unfall, aber auch ein Lottogewinn, eine Liebesaffäre usw. nehmen sich ihren Platz. Auch Menschen – die unfreundliche Nachbarin, der Exmann, die Schwiegermutter etc. – nehmen sich ihren Platz. Je drastischer die Erfahrung ist, umso eher merken wir, dass da etwas oder jemand in unserem Leben einen Platz eingenommen hat, den wir möglicherweise dafür gar nicht vorgesehen hatten. Auf einmal kreisen unsere Gedanken nur noch um ein Thema oder wir meiden bestimmte Orte oder wir sind einfach nur nervös und angespannt und wissen nicht einmal genau, warum das so ist.

Interessant ist an dieser Stelle die Beobachtung, dass unsere Gegenwehr den Prozess offenbar verstärkt. Je mehr ich mich dagegen wehre etwas oder jemanden zu akzeptieren (z.B., dass diese b…. K.. mich einfach nicht zuerst grüßen will :-)) umso mehr Platz nimmt das Ereignis in meinen Gedanken und Gefühlen ein. Paul Watzlawick hat das in der Geschichte mit dem Hammer sehr treffend beschrieben. Wir steigern uns in die Empfindungen hinein und geben ihnen damit die Möglichkeit zu wachsen und dann regieren diese gemachten Gefühle unser Handeln.

Wie kann es dazu kommen? Wenn wir auf dem Gedankenweg ein Stück zurückgehen, landen wir irgendwann bei einem Wunsch bzw. einer Erwartung. Wir möchten, dass dieses oder jenes genau so und nicht anders ist. Wir finden das aus irgendwelchen Gründen richtig; Wir glauben, dass wir einen Anspruch auf etwas haben; Wir kennen es nicht anders; usw. Die Liste ist quasi endlos. Die Wirklichkeit entspricht diesem Wunsch aber nicht und wir beginnen, die Umstände bzw. ganz oft auch die anderen beteiligten Personen ändern zu wollen, damit wir uns nicht selbst ändern müssen.

Vermutlich hat jede/r von uns schon die Erfahrung machen dürfen, dass das nicht wirklich gut funktioniert. Erstens ist es unglaublich anstrengend und zweitens in aller Regel sinnlos, selbst wenn kurzfristige Änderungen eintreten und wir für den Moment zufrieden gestellt sind. Am Ende haben wir immer die Verantwortung für unser Gefühl nach außen delegiert, anstatt sie selbst zu tragen. „Du sollst das machen“ ist eine Äußerung, die man oft von kleinen Kindern hört, die etwas wollen und es sich nicht zutrauen. Genauso benehmen wir uns auch als Erwachsene, wenn wir erwarten, dass andere sich dafür anstrengen, unsere Wünsche zu erfüllen. Damit ist nicht die freiwillige Anstrengung gemeint, die jemand gern übernimmt weil er uns beschenken will, sondern die zum Beispiel durch fortwährendes Genörgel erzwungene.

Was hilft also? Klarheit zu finden über die eigenen Wünsche und Erwartungen ist schon einmal ein guter Anfang. Was brauche ich wirklich, wenn ich mich darüber beklage, dass mein Göttergatte so unordentlich ist? Ich möchte mit meinem Bedürfnis nach Ordnung und Schönheit respektiert werden. Soweit so gut. Er ist aber nun einmal schlampig und lässt alles herumliegen, das ist definitiv nicht ordentlich und auch nicht schön. Andererseits bringt er oft Blumen mit, hat auf Geschäftsreisen noch immer irgendeine nette Kleinigkeit für mich gefunden, kann mich wunderbar bekochen und anderweitig verwöhnen,… Das sind alles durchaus respektvolle Handlungen, aber nicht das, was ich jetzt will. Er soll gefälligst seine Sachen wegräumen, weil mich das Chaos stört. Dabei übersehe ich ein wichtiges Detail: MICH stört das. Wenn ich also möchte, dass mein Bedürfnis nach Ordnung und Schönheit respektiert wird, darf ich dem auch selbst Rechnung tragen. Ich räume auf, was mir im Weg liegt und gebe damit – auch im übertragenen Sinn – den Dingen ihren Platz.

Was mit herumliegenden Gegenständen geht, klappt mit etwas Übung auch mit Gedanken und Gefühlen. Ich muss mich nicht jedes Mal aufs Neue darüber aufregen, dass sich jemand auf eine Weise verhält, die ich nicht in Ordnung finde. Ich kann Wege finden, diesen Menschen so zu lassen wie er ist und gleichzeitig für meine Bedürfnisse sorgen. Das ist durchaus eine anspruchsvolle Aufgabe, aber es lohnt sich auf jeden Fall, es immer wieder zu versuchen. Es lohnt sich vor allen Dingen, damit bei mir selbst anzufangen und mich selbst immer öfter so zu lassen wie ich bin während ich dafür sorge, dass ich alles habe, was ich brauche. Das hat mit Respekt zu tun und kann lebensrettend sein. Es macht außerdem auf Dauer wirklich glücklich, selbst wenn mal wieder irgendwer (ich selbst eingeschlossen) irgendetwas „falsch“ gemacht hat bzw. wenn das Leben sich nicht sonderlich für meine Wünsche interessiert.