Vertrauen | Verbindlichkeit

Vertrauen | Verbindlichkeit

Vertrauen | Verbindlichkeit

Was ist das? Es ist die Bereitschaft, eine Verbindung einzugehen und dazu zu stehen – egal, was kommt. Im Ernstfall bis dass der Tod uns scheidet. Das bezieht sich natürlich nicht nur auf zwischenmenschliche Verbindungen. Wenn ich mir Geld leihe, habe ich auch Verbindlichkeiten, die es zu begleichen gilt. Wenn ich mit dem Auto losfahre, sind bestimmte Regeln zu beachten und auch dort ist Verbindlichkeit gefragt. Auch Steuern zu bezahlen ist eine verbindliche Sache.

An den Beispielen kann man schon erkennen, dass Verbindlichkeit nicht von jedem in jeder Hinsicht gleichermaßen ernst genommen wird. Sie ist also eine ziemlich individuelle Angelegenheit. Es gibt zwar so etwas wie allgemeine Verbindlichkeiten, im Grunde ist es aber eher ein „persönlicher Kodex“ der geprägt ist durch die jeweilige Struktur und Entwicklung – für den einen sind es die zehn Gebote, für den anderen das BGB oder sonst etwas. Manche Leute schaffen es, ein Leben lang jeder Form von Verbindlichkeit aus dem Weg zu gehen und nie so richtig JA oder NEIN zu etwas zu sagen.

Verbindlichkeit bedeutet immer, dass ich mich entscheide, mich auf etwas festlege. Das grenzt meine sonstige Freiheit mitunter maßgeblich ein und bedeutet auch immer Abhängigkeit in irgendeiner Form. Will ich das? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Was gibt mir das? Wie wichtig ist es mir, dass ich mich auf bestimmte Dinge blind verlassen kann bzw. glaube es zu können? Was bin ich bereit, dafür zu investieren?

Die mitunter „ultimative“ Festlegung ist es, die den meisten Menschen Angst bereitet. JA zu sagen zu etwas oder jemandem ist sehr viel schwieriger als VIELLEICHT oder NEIN zu sagen! Andererseits ist es wohl auch ein Fakt, dass wir lieber VIELLEICHT oder NEIN sagen, als dass wir es selbst hören wollen. Wir erwarten also in aller Regel von anderen mehr Verbindlichkeit als wir selbst zu geben bereit sind. Wenn ich aber nicht bereit bin, zu einem anderen Menschen bedingungslos JA zu sagen, kann ich das dann vice versa auch erwarten oder ertragen? Bin ich bereit, dieselbe Freiheit (oder Feigheit), die ich mir herausnehme, dem anderen auch zu gewähren? Wie viel Sicherheit brauche ich? Und wofür?

Verbindlichkeit und das Gefühl der Sicherheit gehen Hand in Hand. Die Sicherheitsbedürfnisse der Menschen sind sehr unterschiedlich und hängen nicht zuletzt davon ab, wie sicher sich ein Mensch mit und in sich selbst fühlt. Je sicherer ich bin, dass ich es schon geregelt bekomme (egal was), umso weniger Sicherheit und auch Verbindlichkeit brauche ich von anderen.

Was gibt mir Sicherheit? Wo finde ich sie? Gibt es Sicherheit überhaupt? Bei einem meiner Besuche in Klöstern habe ich einen Pater gefragt: „Zweifeln Sie eigentlich nie?“ „Doch“, hat er gesagt, „oft. Und genau da ist die Aufgabe: Immer wieder zum Vertrauen zurück zu finden, dass Gott weiß, was er tut. Er macht keine Fehler, selbst wenn mir irgendetwas gerade schwer fällt oder nicht gefällt. Der göttliche Plan ist perfekt. Menschen – ich eingeschlossen – sind es leider nicht.“

Verbindlichkeit ist demnach die Fähigkeit, mit dem Vertrauen in Verbindung zu bleiben. Dabei ist es nicht wichtig, ob ich es nun Gott nennen will oder eine andere Bezeichnung dafür finde. Die Überzeugung, dass das Leben einem höheren Plan folgt, der für jeden das Richtige will, steht im Vordergrund. Das Richtige ist dabei nicht unbedingt das, was für mich gerade schön, bequem, lustig oder aus anderen Gründen wünschenswert wäre. Es ist das, was mich in meiner Entwicklung am meisten fördert.

Ohne eine eigene Idee, was diese Entwicklung denn sein könnte, fällt es natürlich maßlos schwer, an einen höheren Plan zu glauben, Perspektiven zu erkennen, Visionen zu entwickeln, ein Ziel anzustreben. Ohne Fixpunkt am Himmel erkenne ich keine Richtung und fühle mich unsicher. In diesen Situationen suche ich dann nach Sicherheiten: Ein Vertrag, ein Liebesversprechen, ein Lottoschein oder andere im Grunde ungeeignete Dinge werden dann wichtig. Hoffnung ersetzt das Vertrauen und ich werde immer verzagter und unbeweglicher. Meine Wünsche regieren mein Leben. Das muss nicht falsch sein, Wünsche sind oft ein guter Wegweiser. Es ist aber auf jeden Fall zu wenig, sich etwas nur zu wünschen. Es bedarf immer auch der Bereitschaft, dafür ein Risiko einzugehen.

Wie verbindlich bin ich also mir selbst gegenüber? Wie verbindlich sind meine Überzeugungen für mich? Was sind denn überhaupt meine Überzeugungen und was sind Wünsche, Glaubenssätze, verbale Beruhigungspillen? Sage ich JA zu mir selbst mit allem Drum und Dran?

Bin ich bereit, mich voll und ganz auf mich einzulassen, mich selbst verbindlich anzunehmen, egal was kommt? Stehe ich zu mir und der Verbindung, die ich zu mir habe? Wie stark ist diese Verbindung? Spüre ich mich überhaupt? Will ich mich mit allen meinen Schmerzen, mit Trauer, Frust und Verzagtheit spüren? Halte ich meine innere Unsicherheit aus, meine unbefriedigten Bedürfnisse? Und alles im Vertrauen, dass das jetzt genauso richtig ist? Nix für Anfänger… Es braucht tatsächlich Übung, um den Vertrauensmuskel in mir stärker und stärker werden zu lassen. Wieder und immer wieder. Das erfordert wirklich Mut und Vertrauen. Sobald die Angst vor Verlust, Schmerz, Unannehmlichkeiten usw. die Oberhand gewinnt, schwindet das Vertrauen und wir suchen Hilfe in Kompromissen, oft in faulen.

Verbindlichkeit mag Verhandlungen aushalten, aber letztlich keine faulen Kompromisse. Ja ist Ja und Nein ist Nein. Überall dort, wo ich dazu nicht bereit bin, ist mir etwas nicht wirklich wichtig. Wenn es nicht so wichtig ist, ist Verbindlichkeit auch kein Thema und weitgehend verzichtbar. Damit sind wir wieder beim persönlichen Wertekodex. Was ist mir wichtig genug, damit ich mich verbindlich mache? Die Frage lohnt sich wirklich und führt einen immer näher zu sich selbst. Ein guter Weg.

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Komfortzonen

Komfortzonen

 

Komfortzonen

Vor ein paar Tagen ist mir ein Flyer in die Hände gefallen, der eine an ein indianisches Initiationsritual angelehnte Visionssuche anbietet. Zehn Tage dauert das – jeweils drei dienen der Vor- und Nachbereitung und die vier Tage in der Mitte verbringt man fastend und mit minimaler Ausstattung allein in der Wildnis bzw. dem, was in unseren Breiten davon noch übrig ist. „URGH“ war mein erster Gedanke, „das ist aber nichts für mich“.

Zugegeben, ein solches Ritual ist auch extrem, aber die dahinter liegende Idee hat Charme: Unsere Potenziale entdecken wir jenseits unserer Begrenzungen. Es müssen ja nicht gleich zehn Tage sein und ja, es gibt auch Begrenzungen, die schwierig oder vielleicht gar nicht zu überschreiten sind. Das Grundproblem liegt aber noch gar nicht in der Überschreitung der Grenzen, sondern darin, sie überhaupt erst einmal zu erkennen und zu spüren, sie als Begrenzung wahrzunehmen.

Der Blick darauf tut erst einmal nicht weh, oder vielleicht doch… Was begrenzt mich? Wodurch lasse ich mich begrenzen? In welcher Art und Weise begrenze ich mich selbst? Das ist insofern die schwierigste Frage, als dass ich mal wieder selbst zuständig bin. Eigentlich und bei Licht betrachtet begrenze ich mich nämlich immer nur selbst. Meine Grenzen bestimme ich – häufig bewusst und noch viel öfter unbewusst. Ich begrenze mich zum Beispiel, indem ich der Begrenzung durch andere zustimme – auch wieder bewusst oder unbewusst. Ich begrenze mich aber auch durch meine eigene Bequemlichkeit.

Es ist eben kuschelig in der Komfortzone, wo ich alles fein zurechtgelegt habe, was ich für mein Leben so brauche. Es gibt auch immer gute Argumente dafür, warum dieses oder jenes gerade jetzt nicht opportun ist oder ich auf dieses oder jenes im Prinzip zwar verzichten könnte, aber nicht jetzt. In der Komfortzone ist keine Entwicklung möglich. Es ist zwar bequem, aber auf die Dauer auch leblos, weil es nicht vorangeht. Das Leben stagniert dort früher oder später.

Wenn wir uns also weiter entwickeln wollen, Potenziale ausschöpfen, Visionen entwickeln und mit Leben füllen wollen, müssen wir unsere ganz persönliche Kuschelzone verlassen. Dabei spielt es keine Rolle, in welchem Bereich. Ohne Bewegung und ohne das Risiko, am Ende zu scheitern, passiert nichts. Die individuellen Grenzen sind so verschieden wie die Menschen und es hat auch nicht jeder die gleichen Ziele oder Mittel, um sie zu erreichen. Aber das Grundprinzip ist für alle gleich.

Um ein Gespür für meine Grenzen und Begrenzungen zu haben ist es gut, wenn ich mir Klarheit über meine Wünsche und Bedürfnisse verschaffe. Was will ich wirklich? Was brauche ich unbedingt? Habe ich das? In welchem Umfang? Oder auch: Warum habe ich es nicht? Was hindert mich daran? Wo und in welcher Weise stehe ich mir selbst im Weg?

Die allermeisten unserer Begrenzungen entstehen im Kopf. Im Grunde sind es nur Gedanken. Wir könnten ohne Probleme auch anders darüber denken, wenn wir uns das erlauben würden. Allerdings sind wir in der Regel eher dazu bereit, eine „verwegene Idee“ zu verwerfen als gute Gründe dafür zu finden. Die vermeintliche Sicherheit des Bekannten ist einfach sehr verlockend.

Eine andere Frage, die einen an die eigenen Grenzen heranführt, könnte lauten: „was kann / darf / soll jetzt gehen?“. Was tragen wir an inneren Grenzen in uns, die wir eigentlich nicht brauchen? Was ist in unserem Leben schon lange nicht mehr so, wie wir es brauchen und wir halten trotzdem daran fest? Welches Gedanken- und Gefühlsgerümpel in mir verhindert, dass etwas Neues in mein Leben treten kann? Ein immer wieder gern zitiertes Beispiel dafür ist der Kleiderschrank, der einfach gelegentlich von altem Kram befreit werden muss, damit ein neues Outfit Platz findet.

Wir trennen uns einfach nicht gern von dem, was wir kennen, und laufen damit Gefahr, immer wieder beim bereits Bekannten zu landen. Das ist auf jeden Fall bequem und in vielen Fällen sogar angenehm, aber eben auch sehr begrenzt.

Es erfordert Vertrauen, das Alte abzulegen ohne das Neue zu kennen. Da kann man es schon mal mit der Angst zu tun bekommen. Angst ist das Gegenteil von Vertrauen. Wo immer ich die Angst regieren lasse, habe ich das Vertrauen aufgegeben. Das Vertrauen zu mir selbst und meinen Fähigkeiten, das Vertrauen ins Leben und darin, dass immer genug von allem für alle da ist. Das ist schade und oft auch schädlich.

Welche Grenze kann ich als nächste überschreiten? Wer kann mir dabei helfen? Was darf gehen in meinem Leben? An welcher Stelle kann ich mir einen neuen Anfang vorstellen? Wo brauche ich ihn? An welche Grenze traue ich mich nicht heran? Was genau beängstigt mich dort? Fragen, die sich lohnen, wenn man in Bewegung kommen will. Wie gesagt, es müssen ja nicht gleich zehn Tage im dunklen Wald sein…

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Zu Hause

Zu Hause

 

Zu Hause

Was ist das eigentlich? Ist zu Hause ein Ort – groß oder klein? Ist es eine Gemeinschaft, ein Gefühl, eine Sehnsucht oder ein Bedürfnis? Wo finde ich mein Zuhause? Wie wichtig ist es mir? Muss ich dafür sesshaft sein? Ist es eng oder weit? Was brauche ich, um zu Hause zu sein – vielleicht sogar egal wo?

Je mehr Menschen man fragt, desto mehr Antworten bekommt man, die Schwerpunkte sind tatsächlich sehr unterschiedlich. Wenn das Zuhause aber nicht dort ist, wo ich gerade bin, geht es mir meistens nicht gut. Es fehlt etwas – das Gefühl der Geborgenheit. Das führt dann zu der Frage, was ich brauche, um mich sicher und geborgen zu fühlen. Auch das ist für jeden etwas anders und doch gibt es eine Gemeinsamkeit: zuhause ist dort, wo ich so sein kann, wie ich gerade bin – mit allen meinen Bedürfnissen und Befindlichkeiten, mit Stimmungen und Launen, mit Lachen und Weinen, mit Hunger und Durst, laut oder leise usw. Es ist definitiv mehr als nur ein Dach über dem Kopf.

Viele Menschen sind auf der Suche nach einem Zuhause, manche lassen alles stehen und liegen und suchen anderswo, weil ihr Zuhause ihnen keine Geborgenheit mehr bietet. Wo oder wie kann ich Geborgenheit finden, wenn neben mir Bomben einschlagen, wenn ich nicht weiß, was der nächste Tag bringt, wovon ich satt werden soll? Äußere Gegebenheiten sind ganz bestimmt wichtig. Aber nicht nur – auch in der schönsten Villa mit perfektem Styling und gut gefülltem Kühlschrank muss ich mich nicht unbedingt zu Hause fühlen, obwohl ich doch vermeintlich alles habe.

Vielleicht ist es doch eher ein Empfinden als ein Ort. Home is where my heart is – das hat etwas. Wenn ich nicht weiß, wohin ich innerlich gehöre, wenn sich gerade alles verändert, das Alte noch nicht abgeschlossen und das Neue noch nicht sichtbar ist, fühle ich mich auch irgendwie heimatlos. Ich gehöre nirgendwo so richtig hin – nicht mehr hier, aber auch noch nicht dort. Ich bin nicht in mir zu Hause.

Auf der Reise durch das Leben kommen wir immer wieder an diese Punkte, an denen sich anscheinend alles irgendwie auflöst. Wir trennen uns von Altem und machen Platz für Neues. In diesem Niemandsland ist es nicht einfach, das innere Zuhause zu spüren. Das Bekannte gibt schließlich Sicherheit, selbst wenn es uns nicht guttut. Etwas Bekanntes aufzugeben ohne das Neue zu kennen ist nicht einfach. Es erfordert Vertrauen. Das Vertrauen, dass alles gut ist, dass ich – selbst wenn ich gerade überhaupt keinen Plan habe – in Ordnung bin, dass ich so sein darf, wie ich eben gerade bin, dass ich es aushalte und überleben werde, dass etwas Gutes auf mich wartet, dass ich gut genug bin, dass alles da ist, was ich brauche. Das ist wirklich eine anspruchsvolle Übung, die niemandem leicht fällt. Auch Menschen, die ihr Leben dem Glauben und Vertrauen gewidmet haben, werden dann und wann von Zweifeln angefallen. Das gehört dazu und ist Teil der Übung, wirft einen aber trotzdem aus der Bahn und erzeugt Unsicherheit statt Geborgenheit.

In und mit sich selbst zu Hause zu sein, heißt also, das Vertrauen zu haben, dass alles, was man braucht, im richtigen Moment da ist. Die Idee, dass alles immer schon da ist, auch wenn ich es gerade nicht erkenne, ist dabei hilfreich. Das beinhaltet auch, dass ich alles in mir trage, was ich brauche. Gottvertrauen ist letztlich immer auch Selbstvertrauen. Welchem Teil in mir vertraue ich da gerade nicht? Was fehlt mir in und an mir? Fehlt es mir wirklich? Kann heißen: Habe ich es nicht? Oder brauche ich es nicht?

Wenn ich mir das innere Zuhause tatsächlich als ein Haus vorstelle, wohnen in den vielen Zimmern viele verschiedene Anteile von mir. Dürfen sie tatsächlich alle gleichermaßen dort zu Hause sein oder haben die einen schöne helle Räume, während die anderen im Keller ein tristes Dasein fristen müssen? Darf ich also tatsächlich mit allem, was ich bin und wie ich bin in mir zu Hause sein? In aller Regel ist das nicht so. Wenn ich also vollständig in mir zu Hause sein will, ist es unausweichlich, im Keller das Licht einzuschalten und den Dachboden (das Oberstübchen) zu entrümpeln. Vielleicht muss auch der eine oder andere Bewohner umziehen.

Diese inneren Bewegungen spiegeln sich im äußeren Leben. Wenn ich in mir gerade nicht wirklich zu Hause bin, bin ich es auch sonst nirgendwo. Ich darf tatsächlich mal wieder bei mir selbst anfangen und auf die Suche gehen. Was fehlt mir für das Gefühl, in mir zu Hause und geborgen zu sein? Welche Eigenschaften dürfen sich zurückziehen, was darf stärker zu Tage treten? Was von all dem, das mich ausmacht, brauche ich jetzt am meisten? Wo wohnt es in mir und wie komme ich dran?

Wichtig ist dabei erstens die Erkenntnis, dass tatsächlich alles in mir schon da ist und zweitens, das Vertrauen, dass das wirklich stimmt, auch wenn es sich zeitweise überhaupt nicht danach anfühlt. Zuhause bedeutet damit Geborgenheit durch Vertrauen. Das ist eine lebenslange Aufgabe und mitunter echt anstrengend. Aber es lohnt sich, danach zu suchen. Wirklich!

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Ich bin das

Ich bin das

 

Ich bin das

Wer sich auf dieser Webseite umschaut, begegnet immer wieder der Idee der Ganzheit, die sich unter anderem als „Einheit von Körper, Geist und Seele“ zeigt. Eine andere Form der Ganzheit könnte zum Beispiel mit „Licht und Schatten“ beschrieben werden. Im Licht stehen dabei die Qualitäten, die wir an uns kennen und möglicherweise schätzen, im Schatten steht all das, was wir nicht kennen, was wir verdrängt haben, was wir uns nicht erlauben usw.

In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis nicht neu, dass unsere Mitmenschen uns genau die Anteile zeigen, die wir an uns selbst nicht sehen können. Alle Menschen, die uns begegnen, fungieren in irgendeiner Weise als Spiegel bzw. als Bildschirm. In der Regel können andere Menschen unsere versteckten Anteile auch sehen, nur wir selbst sind dafür blind.

Unseren Partnern und Kindern kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Eine klassische Konstellation ist zum Beispiel ein wildes und chaotisches Kind, das bei ordnungswütigen Spießern „landet“ und vom ersten Moment an die heilige Ordnung torpediert. Wie konnte das geschehen? Wir sind doch gar nicht so? Woher hat das Kind das nur? Fragen über Fragen. (Besonders „wilde“ Eltern haben übrigens häufig spießige Kinder :-).

Das Kind hat sozusagen die Aufgabe übernommen, all das auszuleben, was die Eltern sich nicht erlauben oder trauen etc. Es zeigt die „Schattenseiten“ gnadenlos auf. In aller Regel nivelliert sich die Diskrepanz zwischen Eltern und Kind, wenn die Eltern ihren Schatten ein Stück weit zu sich holen und selbst dadurch vollständiger werden. In dem oben beschriebenen Beispiel könnte das bedeuten, dass die Eltern sich selbst etwas mehr Unordentlichkeit zugestehen. Dann muss das Kind das nicht mehr allein machen und kann seine Energien anderweitig einsetzen, also auch selbst vollständiger werden.

Wenn uns also in einem anderen Menschen etwas begegnet, mit dem wir partout nichts zu tun haben wollen, ist es an der Zeit, auf die Suche zu gehen. „Ich bin das“ ist dabei ein guter Einstiegssatz. In der Idee, dass jeder gesunde Mensch grundsätzlich alle Eigenschaften (in unterschiedlicher Gewichtung) hat und über die vollständige Skala aller Gefühle verfügen kann, gibt es diese Eigenschaft / dieses Gefühl – so grässlich oder beängstigend sie auch sein mögen – folglich auch in mir. Ich bin das. Dieser aggressive Wüterich, der dauernd die Kontrolle verliert und sich unmöglich benimmt, soll ich sein? Vielleicht nicht ganz, aber Aggressionen habe ich ganz bestimmt auch, in diesem Fall verdrängte. Es ist auf jeden Fall gut für mich und meine Gesundheit, dem mal nachzuspüren.

Wenn ich auf das schaue, was mich an anderen besonders stört, finde ich schnell heraus, was ich selbst wahrscheinlich nicht oder nicht ausreichend in mein Leben integriert habe. Aggression und Angst kommen häufig vor. Arroganz, Dreistigkeit, Gier, aber auch Lebensfreude und Lust. Wenn wir einen kurzen Blick auf das allgemeine Verhältnis zur Sexualität werfen, sehen wir sofort, was im kollektiven Bewusstsein unterdrückt und verdrängt wird. Davon sind wir auch als einzelne Menschen nicht frei.

 

„Ich bin das“ hilft mir, die ungelebten Anteile in mir zu finden. Der nächste Schritt besteht darin, diese Anteile – einen nach dem anderen – anzuerkennen. Ich bin das – ohne jegliche Wertung. Das ist nicht einfach. Schließlich haben wir ein genaues Bild davon, wer wir gern sein möchten, was wir auf keinen Fall wollen oder dürfen.

Die Welt ist aufgeteilt in Gut und Böse und das bestimmt unser Selbstverständnis. Um die Idee des „Ich bin das“ tatsächlich leben zu können, müssen wir uns von dieser Polarität bzw. der Einteilung in gute und schlechte Eigenschaften trennen. Bezogen auf den Ordnungsbegriff sind Chaos und Ordentlichkeit die beiden Pole der Ordnung an sich. Sie stellen die Flexibilität im System oder aber die mehr oder weniger fortgeschrittene Erstarrung dar. Weder das eine noch das andere ist dabei grundsätzlich gut oder schlecht. Es geht vielmehr darum, die situationsadäquate Intensität zu finden.

„Ich bin das“ lässt uns einen Moment innehalten und in der jeweiligen Situation präsent sein. Es schafft Verständnis und Vertrauen, macht uns in unserem Empfinden und unserer Kommunikation auf die Dauer vollständiger. Wir werden lebendiger. Ich bin das, auch wenn es im Moment den Rahmen des Bekannten oder Erwünschten sprengt. IMMER.

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Sicherheit

Sicherheit

 

Sicherheit

Ich tanze gern. Ich tanze mit Männern, Frauen, Einkaufswagen und auch allein, wenn mich die Musik anspricht. Vor kurzem habe ich eine Milonga besucht, das ist ein Tanzabend für argentinischen Tango. Das besondere Merkmal dieses Tanzes ist die konsequente Anwendung des Prinzips des Führens und Folgens – es gibt keine festen Schrittfolgen, sondern eine/r führt und der/die andere folgt. Das ist in jedem Fall eine spannende Angelegenheit, vor allem wenn man die Tanzpartner im Laufe des Abends wechselt und sich immer neu aufeinander einstellen darf. An diesem Tanzabend wurde gemischte Musik aufgelegt, es gab neben vielen klassischen Tangos auch andere Musik, zu der getanzt werden konnte. Ein Tänzer ist mir dabei besonders aufgefallen: Er war sehr fleißig und hat mit jeder Dame im Raum wenigstens eine Tanda (meistens 4 Tänze, danach kommt eine kurze Pause) getanzt. Dabei hat er hat fast schon stoisch jeden Tanz gleich gestaltet. Egal, welche Musik oder welche Tänzerin – er hat immer dasselbe getanzt. Das lag nicht daran, dass er Anfänger gewesen wäre – er ist ein routinierter Tänzer und in der Szene als „alter Hase“ bekannt. Er hat es aber tatsächlich geschafft, zu einem klassischen argentinischen Tango genauso zu tanzen wie zu „Hit the road Jack“.

Das hat mich amüsiert und gleichzeitig auch nachdenklich gemacht, weil es da durchaus Parallelen zum „richtigen Leben“ gibt: Manche Menschen tanzen mit dem Leben, so wie es gerade kommt und andere tanzen ihren eigenen Tanz – egal, was gerade kommt. Das eine erfordert eine starke Bereitschaft zur Hingabe, das andere ist Sinnbild für ein starkes Bedürfnis, immer die Kontrolle zu behalten.

Damit sind wir dann im Thema: Gibt Kontrolle uns tatsächlich Sicherheit? Gibt es überhaupt objektive Sicherheit? Wie gehen wir mit dem Gefühl von Unsicherheit um? Ist Kontrolle tatsächlich besser als Vertrauen? Wie lebendig ist das Leben noch, wenn wir immer auf Nummer Sicher gehen?

Insgesamt ist das Bedürfnis nach Sicherheit natürlich individuell sehr unterschiedlich und es geht hier auch nicht darum, das im Einzelnen zu bewerten. Trotzdem kann es hilfreich sein, die eigenen Verhaltensweisen zu beleuchten und einmal genauer zu schauen, wie wir uns in Situationen verhalten, die tendenziell „Unsicherheit“ in sich tragen. Wie reagiere ich auf Herausforderungen, die mich aus meiner Komfortzone befördern? Bleibe ich bei meinen bekannten Strategien oder öffne ich mich für andere Lösungsansätze? Ignoriere ich die Herausforderung oder nehme ich sie freudig an?

Dabei bietet das Tanzen wieder schöne Analogien zum „richtigen Leben“: Ich kann ein Leben lang mit drei Tanzschritten auskommen und diese auf jede Musik tanzen oder… Ebenso kann ich immer mit demselben Menschen tanzen, oder… Ich kann auch beschließen, nur zu ganz bestimmter Musik zu tanzen und ansonsten Pause zu machen, oder alle drei Optionen miteinander kombinieren, usw. Wenn ich mich also nicht bewegen im Sinne von weiter entwickeln will, muss ich das nicht. In meinen mehr oder weniger engen Grenzen fühle ich mich sicher und alles ist gut. Das ändert sich auch erst, wenn Anforderungen an mich gestellt werden und „das Leben“ mich zwingt, meine Komfortzone zu verlassen. Das ist meistens unbequem, egal von welcher Seite ich die Sache angehe. Entweder muss ich mir dann selbst gut zureden, dass das alles so in Ordnung ist, ich den kuscheligen Platz gar nicht verlassen will und demzufolge auch nichts ändern muss – aber das fühlt sich meistens nicht besonders gut an, weil wir wissen, dass wir uns selbst belügen. Oder ich muss mich bewegen, das bedeutet zunächst einmal Unsicherheit und fühlt sich auch nicht gut an.

Wenn ich mich dagegen weiter entwickeln will und die Sache von vornherein auch so angehe, komme ich in diese Situationen meist nicht bzw. ich bewerte sie anders: Dann nehme die Herausforderung nicht als Angriff auf meine Persönlichkeit wahr, sondern eben als Gelegenheit, mein jeweiliges Repertoire zu erweitern. Ich fühle mich von dem tollen Tänzer, der da wilde Sachen führt, vermutlich immer noch überfordert, aber ich sehe auch was alles geht und kann darauf hinarbeiten, dass ich das auch bald kann, sofern ich das für erstrebenswert halte. Dabei gibt es natürlich keine Sicherheit, dass das jemals so gelingen wird, aber ich fühle mich auch nicht schlecht, nur weil ich es jetzt noch nicht kann. Außerdem kann ich neidlos anerkennen, dass jemand anders es besser kann als ich.

Das Gefühl der Sicherheit entsteht demnach nicht durch äußere Umstände, sondern durch die innere Haltung. Wenn ich ein stabiles Selbstvertrauen aufgebaut habe, wirft mich so schnell nichts aus der Achse – ich halte mein inneres Gleichgewicht auch in turbulenten Zeiten noch ganz gut. Das ist im Wesentlichen ein Lernprozess. Es stimmt, dass es manchen Menschen leichter fällt, diesen Zustand zu finden und auch zu erhalten, aber prinzipiell können wir alle dorthin gelangen – manchmal dauert es einfach etwas länger.

Grundsätzlich ist es dabei hilfreich, wenn wir uns ansehen, was uns aus dem Gleichgewicht bringt, also welche Ängste und Befürchtungen da laut werden. In den meisten Fällen ist es die Angst, „nicht gut genug“ zu sein oder so wahrgenommen zu werden. Diese Befürchtung kennt sicher jede/r und empfindet sie mehr oder weniger stark. Wichtig ist dabei, dass es sich dabei um Gedanken handelt und das Schreckensszenario nur zwischen unseren Ohren existiert. Es ist nicht real, sondern eine Befürchtung! Indem ich meine Befürchtungen und Angstszenarien anschaue und mich Ihnen aussetze, kann ich den Weg in Richtung „Sicherheit“ einschlagen. Was kann Schlimmes passieren? Was wäre das Schlimmste? Was würde ich dann tun? Meistens fällt uns etwas ein. Eben.

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Veränderungen Teil II

Veränderungen Teil II

 

 

Veränderungen Teil II

In ihrem Buch „Gesundheit für Körper und Seele“ beschreibt Louise Hay sehr viele kluge und treffende Erkenntnisse. Ein Satz – ich weiß nicht einmal mehr, wo genau ich ihn gelesen habe – hat mich wie ein Mantra seither auf meiner Reise begleitet:

„Ich bin bereit, mich zu verändern.“

Das klingt recht schlicht, eigentlich, und ist doch von einer Tragweite, die sich zunächst nicht erschließt. Es geht nämlich nicht darum, eine bestimmte Veränderung zuzulassen, also 3 kg weniger wiegen zu wollen oder ähnliches. Es geht vielmehr darum, Veränderung grundsätzlich willkommen zu heißen, ohne sie im Detail zu kennen und vor allem, ohne sie selbst ‚ausgesucht‘ zu haben.

Im Grunde geht es dabei um Vertrauen. Ich vertraue darauf, dass das Leben freundlich ist und mir nicht schaden will. Ich vertraue darauf, dass alle Erlebnisse die faire Chance auf persönliches Wachstum beinhalten. Ich vertraue darauf, dass am Ende alles gut ist und einen Sinn ergibt, auch ohne dass ich ihn (sofort) erkenne. Das ist so ziemlich das schwierigste überhaupt.

Dieses unbedingte Vertrauen, mit dem wir alle auf die Welt gekommen sind, haben wir in der Regel auch so ziemlich alle irgendwann verloren. Wir beschäftigen uns mit Kopfkino, hegen Befürchtungen, ängstigen uns, sind voller Misstrauen in uns selbst und andere. Es kann ja so viel passieren. Und was mache ich dann?

Zum Beispiel bereit sein. Bereit sein, Veränderungen anzunehmen. Bereit sein, die eigenen Sichtweisen in Frage zu stellen. Bereit sein, den anderen mit anderen Augen zu betrachten oder auch mich selbst. Bereit sein, andere Wege zu finden oder überhaupt nur für möglich zu halten. Bereit sein, das Leben erst einmal passieren zu lassen, bevor ich es manage. Bereit sein, mir selbst und meinen Fähigkeiten zu vertrauen. Bereit sein, den anderen Menschen zu vertrauen. Etc.

Bereit sein also, das Leben so anzunehmen, wie es gerade ist. Und genau dafür muss ich bereit sein, mich zu verändern, denn zumindest meiner Erfahrung nach macht sich das Leben nicht allzu viel aus meinen Plänen und Vorstellungen. Manchmal gibt es Übereinstimmungen, oft genug auch nicht [sic].

In diesem ganzen Prozess ist tatsächlich der erste Schritt, also die Bereitschaft nicht nur zu bekunden, sondern wirklich zu fühlen, der längste und schwierigste. All die Befürchtungen, Ängste und Zweifel, die wir so hegen, kommen ans Licht. Und überhaupt: Wieso soll ausgerechnet ich mich ändern? Das können die anderen doch bitteschön genauso gut! Oder sogar besser. Was habe ich davon, wenn ich mich ändere und die anderen einfach so weiter machen wie immer? Sobald wir uns diese Fragen stellen, sind wir in eine beliebte Falle gelaufen, die unser Ego uns stellt. Es suggeriert uns, gut für uns zu sorgen, will aber letztendlich nur das Bekannte und Etablierte behalten. Das Ego hasst Veränderungen.

„Ich bin bereit, mich zu verändern“ heißt auch, mich auf das Unbekannte einzulassen, eben nicht zu wissen, was als nächstes geschieht oder sofort zu erkennen, warum etwas passiert. Es bedeutet, das Ego weitgehend auszuschalten (es wird sich wehren!). Wenn ich die innere Bereitschaft zur Veränderung entwickle und pflege, bedeutet das eine Hinwendung zum Leben im aktuellen Moment. Ich nehme an, was gerade kommt und wie es kommt. Das muss mir nicht unbedingt gefallen, aber ich habe die innere Sicherheit, dass ich damit zurecht komme. Ich bin bereit, mich zu verändern. Ich bestehe nicht darauf, dass alles so kommt, wie ich es mir vorstelle. Ich kann mit veränderten Gegebenheiten umgehen, weil ich selbst die Veränderung in mir und für mich zulasse bzw. willkommen heiße.

Ich bin bereit, mich zu verändern und das Leben geschehen zu lassen. Eine wunderbare Grundlage für mehr inneren Frieden und Lebensfreude. Wirklich!

© ao