Erwartungen

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Erwartungen

Meine Idee vom Leben ist, dass es grundsätzlich gut ist und ein Geschenk. Es mag das eine oder andere Detail sich nicht nach meinen Wünschen gestalten – manchmal scheint es so, als wäre gar nichts so, wie ich es will – aber grundsätzlich ist zunächst einmal alles gut. Das ist meine Erwartung an das Leben und diese Haltung ist Teil der Gestaltung.

Jeder kennt die sich selbst erfüllenden Prophezeiungen oder erkennt sie zumindest bei anderen. Bei uns selbst ist das natürlich oft ganz anders – erschwerte Umstände, fehlendes Glück und manchmal auch noch Pech… Meistens haben wir bewusst oder unbewusst zu der jeweiligen Entwicklung beigetragen, auch aktiv! „Das klappt doch nie“ haben die meisten schon praktiziert – es hat dann häufig auch wirklich nicht oder nicht gut geklappt.

Weniger harmlos sind die nicht so offensichtlichen Erwartungen an das Leben, also unsere unbewussten Programmierungen, die uns zu mehr als 90% steuern. Da ist es wirklich schwierig, den eigenen Anteil am Geschehen zu erkennen. Oft tarnen sich massiver Pessimismus und fortwährende Negativität auch als „Vernunft“. Dagegen gibt es doch schließlich nichts einzuwenden, oder? Vernunft kann doch nicht schaden. Tut sie üblicherweise auch nicht, sie grenzt allenfalls ein. Wenn es aber gar keine Vernunft ist, sondern notorisches Gemecker und konsequentes Neinsagen, kann das schon schädlich sein.

Wenn Menschen kurz vor ihrem Tod auf ihr Leben zurückblicken, bedauern sie oft, was sie getan haben, viel öfter jedoch das, was sie versäumt haben. Wie kommt es zu diesen Versäumnissen? Wie kann es sein, dass wir es ein ganzes Leben lang schaffen, etwas Wichtiges zu versäumen? Wie schaffen wir es, weite Teile unseres Lebens in Angst, Zweifeln, Unzufriedenheit, Unglück oder Drama zu verharren?

Das hat unter anderem mit unseren Erwartungen an das Leben zu tun. Sie entwickeln sich aus den Erfahrungen die wir im Laufe unserer Sozialisation machen. Kurz gesagt erwarten wir, was wir kennen. Je offener und neugieriger wir also auf das Unbekannte sind, desto größer kann auch unser Erwartungshorizont werden, wenn wir das zulassen. Da hilft dann tatsächlich die Einstellung, dass das Leben gut ist und freundlich. Neugier ist einfacher, wenn wir keine Angst haben.

Spannend bei all den negativen Erwartungen ist ja, dass die wenigsten davon tatsächlich eintreten. Das hindert uns aber nicht daran, an unserer Idee festzuhalten. Dieses Festhalten hindert uns wiederum daran, über das Bekannte hinaus das Leben zu erforschen, indem wir uns nicht bewegen. Wir bleiben einfach stehen. Und weil unsere Erwartung negativ war, werten wir den Stillstand dann auch noch als Erfolg. Immerhin ist ja nichts Schlimmes passiert! Was ein Glück! Echt?

Was würde passieren, wenn wir das Gute erwarten anstatt des Schlechten? Richtig, viel mehr Gutes. Vor allen Dingen würden wir es nicht mehr als Erfolg werten, wenn im Grunde nichts passiert. Unsere Erfahrung würde sich verändern und damit auch die Erwartungen für die Zukunft. Und das würde, wenn wir jetzt konsequent die Idee weiter denken, zu noch mehr Gutem führen.

Können also unsere Erwartungen die Welt verändern? Vielleicht nicht die ganze Welt, aber auf jeden Fall unser eigenes Leben und damit dann vielleicht auch das der Menschen in unserer Nähe. Wer weiß? Ich mache wieder und wieder die Erfahrung, dass eine positive Erwartungshaltung zu positiven Erfahrungen führt und diese wiederum positiv sowohl auf mich als auch auf meine Umgebung wirken. Probieren Sie es doch auch mal aus und lassen Sie mich bzw. uns an Ihren Forschungsergebnissen teilhaben. Ich freue mich auf Ihre Beiträge!

© ao

Freiheit

Freiheit

 

Freiheit

In einem alten Song von Janis Joplin (Me and Bobby McGee) gibt es eine schöne Textzeile:

Freedom’s just another word for nothing‘ left to lose

Freiheit habe ich, wenn es nichts mehr zu verlieren gibt. Das klingt erst einmal ganz simpel und ist doch so ziemlich das Schwierigste, was es an Aufgaben im Leben zu erledigen gibt: die innere Freiheit zu finden und zu leben.

Warum ist das ausgerechnet in einer Zeit, die doch schon viele Freiheiten bietet, trotzdem so schwierig? Heißt „nichts mehr zu verlieren haben“ dass mir alles vollkommen gleichgültig ist? Ja und nein. Gleichgültig im Wortsinn heißt, dass alles gleichermaßen gilt, dem gleichen Wert und damit also die gleiche Gültigkeit hat. Nein, wenn Gleichgültigkeit aus einer „dann eben nicht“ Trotzreaktion entsteht. Nur weil ich es nicht haben kann, ist es deswegen nicht weniger wert.

Wo liegt also die Freiheit? Tatsächlich dort, wo meine Bewertung keine Unterschiede mehr macht. Das bedeutet, dass ich meine Wünsche und Vorstellungen nicht mehr als Maßstab anlege. Das klingt zunächst unlogisch. Schließlich bekommen die Dinge doch ihren Wert dadurch, dass ich sie für wertvoll erachte, oder? Ja, stimmt. Und genau da bin ich dann unfrei.

Besitz bindet. Das gilt im materiellen Sinn wie auch emotional. Wenn die fünf Tonnen schwere Bronzestatue von Tante Ilse mein kostbarster Besitz ist, wird jede Wohnungssuche zum Problem und der Umzug erstrecht. Wenn mein Partner alles für mich ist, birgt das gewisse Tücken. Ich habe bzw. nehme mir nicht mehr die Freiheit ich zu sein und mache jede Menge Zugeständnisse, um ihn nur nicht zu verlieren. Dafür verliere ich mich. Ist es das wert?

Hier wäre Gleichgültigkeit im Sinne von Gleichwertigkeit eine Option. Wenn mein Wert nicht mehr an ihn gebunden ist, sondern wir gleichwertig sind, steigt nicht nur der Gesamtwert der Verbindung. Es wächst auch die Freiheit, die jeder von beiden genießt. Das hat natürlich einen Preis: Ich muss bereit sein, für mich selbst und meine Gefühle die Verantwortung zu übernehmen.

Das klingt mal wieder einfacher, als es im Echtbetrieb dann ist. Wir haben es nämlich nicht gelernt. Wir wissen normalerweise immer, wer schuld ist (die anderen) und warum wir uns mit allem Recht darüber ärgern dürfen. Aber: Mein Ärger gehört mir und sonst niemandem. Ich kann also auch anders reagieren und mich zum Beispiel fragen, warum mich das eine oder andere Verhalten denn so auf die Palme bringt. Der Grund dafür ist immer in mir, nie beim anderen. Das gilt für positive Gefühle gleichermaßen. Wenn ich meinen Partner dafür liebe, dass er mir wöchentlich einen Blumenstrauß schenkt, ist auch etwas faul. Hört meine Liebe auf, wenn er das nicht mehr macht? Und ist es nicht sowieso eher ein Deal als ein Gefühl?

Ein anderes Problem liegt darin, dass wir unsere Gefühle oft gar nicht vollständig wahrnehmen. Das ist völlig normal. Wir alle haben als Kinder bestimmte (meist schmerzliche) Gefühle verdrängt und tun uns auch als Erwachsene oft noch schwer, sie zu spüren. Trauer zum Beispiel, Hilflosigkeit, Verletztheit, Angst usw. Andere mussten Lebendigkeit, Lebensfreude, Spieltrieb etc. hinten anstellen, weil das in der Familie nicht gern gesehen wurde.

 

Worauf ich hinaus will ist folgendes: Bevor wir einen Weg finden, auch die vermeintlich unangenehmen Gefühle zu spüren, haben wir oft einen großen Berg davon „abzuarbeiten“, kommen aber am Ende an den Punkt, an dem sie nicht mehr wehtun. Gefühle wollen gefühlt werden und hören auch wieder auf. Kleine Kinder, die in kürzester Zeit zwischen Wutanfall und Heulkrampf und fröhlichem Lachen und Spielen hin und her wechseln, sind ein gutes Beispiel. Sie leben ihr Gefühl wenn es da ist, und damit ist es auch gut.

Es sind die unterdrückten, nicht gelebten Gefühle, die uns ein Leben lang wehtun und die wir immer gern auf andere übertragen. Wir sind uns dessen nicht bewusst und deswegen ist es auch so schwierig, an diese Gefühle heranzukommen.

Gesetzt den Fall, wir haben uns Zugang verschafft – durch Meditation, durch Körperarbeit, durch Therapie oder anderes – besteht die nächste Aufgabe darin, die Bewertung aufzugeben. Klar, Verliebtsein ist angenehmer als Traurigsein, aber es gibt kein Gut und Schlecht. Auch hier darf Gleichgültigkeit im Sinne von Gleichwertigkeit – es sind alles Gefühle – einen Platz finden. Im Ergebnis muss ich dann vor keinem Gefühl mehr Angst haben. Ich halte es aus in dem Wissen, dass es auch wieder aufhört. Ich verliere nicht grundsätzlich mein Glück, wenn ich meiner Traurigkeit Raum gebe. Ich verliere nicht sofort meinen Partner, wenn ich meinen Wünschen und Bedürfnissen Ausdruck gebe. Nein sagen darf ich auch – genauso wie ja sagen. Alle Gefühle sind bei mir und ich kann sie nicht verlieren, denn sie gehören zu mir. Das schafft tatsächlich Freiheit.

©ao

 

Den Dingen ihren Platz geben

Den Dingen ihren Platz geben

Den Dingen ihren Platz geben

Man sagt, dass es für alles den richtigen Zeitpunkt und auch den richtigen Ort gibt. Das klingt wie eine Küchenkalenderweisheit und im Grunde ist es das auch, weil es immer irgendwie stimmt. Und wie immer, wenn alles irgendwie stimmt, bemerken wir es kaum. Das ändert sich schlagartig, wenn die Ordnung der Dinge verrutscht, weil Ereignisse oder Menschen in unserem Leben Platz nehmen.

Das „Platz nehmen“ ist hier wörtlich gemeint. Ereignisse, wie zum Beispiel eine Erkrankung, ein Unfall, aber auch ein Lottogewinn, eine Liebesaffäre usw. nehmen sich ihren Platz. Auch Menschen – die unfreundliche Nachbarin, der Exmann, die Schwiegermutter etc. – nehmen sich ihren Platz. Je drastischer die Erfahrung ist, umso eher merken wir, dass da etwas oder jemand in unserem Leben einen Platz eingenommen hat, den wir möglicherweise dafür gar nicht vorgesehen hatten. Auf einmal kreisen unsere Gedanken nur noch um ein Thema oder wir meiden bestimmte Orte oder wir sind einfach nur nervös und angespannt und wissen nicht einmal genau, warum das so ist.

Interessant ist an dieser Stelle die Beobachtung, dass unsere Gegenwehr den Prozess offenbar verstärkt. Je mehr ich mich dagegen wehre etwas oder jemanden zu akzeptieren (z.B., dass diese b…. K.. mich einfach nicht zuerst grüßen will :-)) umso mehr Platz nimmt das Ereignis in meinen Gedanken und Gefühlen ein. Paul Watzlawick hat das in der Geschichte mit dem Hammer sehr treffend beschrieben. Wir steigern uns in die Empfindungen hinein und geben ihnen damit die Möglichkeit zu wachsen und dann regieren diese gemachten Gefühle unser Handeln.

Wie kann es dazu kommen? Wenn wir auf dem Gedankenweg ein Stück zurückgehen, landen wir irgendwann bei einem Wunsch bzw. einer Erwartung. Wir möchten, dass dieses oder jenes genau so und nicht anders ist. Wir finden das aus irgendwelchen Gründen richtig; Wir glauben, dass wir einen Anspruch auf etwas haben; Wir kennen es nicht anders; usw. Die Liste ist quasi endlos. Die Wirklichkeit entspricht diesem Wunsch aber nicht und wir beginnen, die Umstände bzw. ganz oft auch die anderen beteiligten Personen ändern zu wollen, damit wir uns nicht selbst ändern müssen.

Vermutlich hat jede/r von uns schon die Erfahrung machen dürfen, dass das nicht wirklich gut funktioniert. Erstens ist es unglaublich anstrengend und zweitens in aller Regel sinnlos, selbst wenn kurzfristige Änderungen eintreten und wir für den Moment zufrieden gestellt sind. Am Ende haben wir immer die Verantwortung für unser Gefühl nach außen delegiert, anstatt sie selbst zu tragen. „Du sollst das machen“ ist eine Äußerung, die man oft von kleinen Kindern hört, die etwas wollen und es sich nicht zutrauen. Genauso benehmen wir uns auch als Erwachsene, wenn wir erwarten, dass andere sich dafür anstrengen, unsere Wünsche zu erfüllen. Damit ist nicht die freiwillige Anstrengung gemeint, die jemand gern übernimmt weil er uns beschenken will, sondern die zum Beispiel durch fortwährendes Genörgel erzwungene.

Was hilft also? Klarheit zu finden über die eigenen Wünsche und Erwartungen ist schon einmal ein guter Anfang. Was brauche ich wirklich, wenn ich mich darüber beklage, dass mein Göttergatte so unordentlich ist? Ich möchte mit meinem Bedürfnis nach Ordnung und Schönheit respektiert werden. Soweit so gut. Er ist aber nun einmal schlampig und lässt alles herumliegen, das ist definitiv nicht ordentlich und auch nicht schön. Andererseits bringt er oft Blumen mit, hat auf Geschäftsreisen noch immer irgendeine nette Kleinigkeit für mich gefunden, kann mich wunderbar bekochen und anderweitig verwöhnen,… Das sind alles durchaus respektvolle Handlungen, aber nicht das, was ich jetzt will. Er soll gefälligst seine Sachen wegräumen, weil mich das Chaos stört. Dabei übersehe ich ein wichtiges Detail: MICH stört das. Wenn ich also möchte, dass mein Bedürfnis nach Ordnung und Schönheit respektiert wird, darf ich dem auch selbst Rechnung tragen. Ich räume auf, was mir im Weg liegt und gebe damit – auch im übertragenen Sinn – den Dingen ihren Platz.

Was mit herumliegenden Gegenständen geht, klappt mit etwas Übung auch mit Gedanken und Gefühlen. Ich muss mich nicht jedes Mal aufs Neue darüber aufregen, dass sich jemand auf eine Weise verhält, die ich nicht in Ordnung finde. Ich kann Wege finden, diesen Menschen so zu lassen wie er ist und gleichzeitig für meine Bedürfnisse sorgen. Das ist durchaus eine anspruchsvolle Aufgabe, aber es lohnt sich auf jeden Fall, es immer wieder zu versuchen. Es lohnt sich vor allen Dingen, damit bei mir selbst anzufangen und mich selbst immer öfter so zu lassen wie ich bin während ich dafür sorge, dass ich alles habe, was ich brauche. Das hat mit Respekt zu tun und kann lebensrettend sein. Es macht außerdem auf Dauer wirklich glücklich, selbst wenn mal wieder irgendwer (ich selbst eingeschlossen) irgendetwas „falsch“ gemacht hat bzw. wenn das Leben sich nicht sonderlich für meine Wünsche interessiert.

© ao