Zu Hause
Was ist das eigentlich? Ist zu Hause ein Ort – groß oder klein? Ist es eine Gemeinschaft, ein Gefühl, eine Sehnsucht oder ein Bedürfnis? Wo finde ich mein Zuhause? Wie wichtig ist es mir? Muss ich dafür sesshaft sein? Ist es eng oder weit? Was brauche ich, um zu Hause zu sein – vielleicht sogar egal wo?
Je mehr Menschen man fragt, desto mehr Antworten bekommt man, die Schwerpunkte sind tatsächlich sehr unterschiedlich. Wenn das Zuhause aber nicht dort ist, wo ich gerade bin, geht es mir meistens nicht gut. Es fehlt etwas – das Gefühl der Geborgenheit. Das führt dann zu der Frage, was ich brauche, um mich sicher und geborgen zu fühlen. Auch das ist für jeden etwas anders und doch gibt es eine Gemeinsamkeit: zuhause ist dort, wo ich so sein kann, wie ich gerade bin – mit allen meinen Bedürfnissen und Befindlichkeiten, mit Stimmungen und Launen, mit Lachen und Weinen, mit Hunger und Durst, laut oder leise usw. Es ist definitiv mehr als nur ein Dach über dem Kopf.
Viele Menschen sind auf der Suche nach einem Zuhause, manche lassen alles stehen und liegen und suchen anderswo, weil ihr Zuhause ihnen keine Geborgenheit mehr bietet. Wo oder wie kann ich Geborgenheit finden, wenn neben mir Bomben einschlagen, wenn ich nicht weiß, was der nächste Tag bringt, wovon ich satt werden soll? Äußere Gegebenheiten sind ganz bestimmt wichtig. Aber nicht nur – auch in der schönsten Villa mit perfektem Styling und gut gefülltem Kühlschrank muss ich mich nicht unbedingt zu Hause fühlen, obwohl ich doch vermeintlich alles habe.
Vielleicht ist es doch eher ein Empfinden als ein Ort. Home is where my heart is – das hat etwas. Wenn ich nicht weiß, wohin ich innerlich gehöre, wenn sich gerade alles verändert, das Alte noch nicht abgeschlossen und das Neue noch nicht sichtbar ist, fühle ich mich auch irgendwie heimatlos. Ich gehöre nirgendwo so richtig hin – nicht mehr hier, aber auch noch nicht dort. Ich bin nicht in mir zu Hause.
Auf der Reise durch das Leben kommen wir immer wieder an diese Punkte, an denen sich anscheinend alles irgendwie auflöst. Wir trennen uns von Altem und machen Platz für Neues. In diesem Niemandsland ist es nicht einfach, das innere Zuhause zu spüren. Das Bekannte gibt schließlich Sicherheit, selbst wenn es uns nicht guttut. Etwas Bekanntes aufzugeben ohne das Neue zu kennen ist nicht einfach. Es erfordert Vertrauen. Das Vertrauen, dass alles gut ist, dass ich – selbst wenn ich gerade überhaupt keinen Plan habe – in Ordnung bin, dass ich so sein darf, wie ich eben gerade bin, dass ich es aushalte und überleben werde, dass etwas Gutes auf mich wartet, dass ich gut genug bin, dass alles da ist, was ich brauche. Das ist wirklich eine anspruchsvolle Übung, die niemandem leicht fällt. Auch Menschen, die ihr Leben dem Glauben und Vertrauen gewidmet haben, werden dann und wann von Zweifeln angefallen. Das gehört dazu und ist Teil der Übung, wirft einen aber trotzdem aus der Bahn und erzeugt Unsicherheit statt Geborgenheit.
In und mit sich selbst zu Hause zu sein, heißt also, das Vertrauen zu haben, dass alles, was man braucht, im richtigen Moment da ist. Die Idee, dass alles immer schon da ist, auch wenn ich es gerade nicht erkenne, ist dabei hilfreich. Das beinhaltet auch, dass ich alles in mir trage, was ich brauche. Gottvertrauen ist letztlich immer auch Selbstvertrauen. Welchem Teil in mir vertraue ich da gerade nicht? Was fehlt mir in und an mir? Fehlt es mir wirklich? Kann heißen: Habe ich es nicht? Oder brauche ich es nicht?
Wenn ich mir das innere Zuhause tatsächlich als ein Haus vorstelle, wohnen in den vielen Zimmern viele verschiedene Anteile von mir. Dürfen sie tatsächlich alle gleichermaßen dort zu Hause sein oder haben die einen schöne helle Räume, während die anderen im Keller ein tristes Dasein fristen müssen? Darf ich also tatsächlich mit allem, was ich bin und wie ich bin in mir zu Hause sein? In aller Regel ist das nicht so. Wenn ich also vollständig in mir zu Hause sein will, ist es unausweichlich, im Keller das Licht einzuschalten und den Dachboden (das Oberstübchen) zu entrümpeln. Vielleicht muss auch der eine oder andere Bewohner umziehen.
Diese inneren Bewegungen spiegeln sich im äußeren Leben. Wenn ich in mir gerade nicht wirklich zu Hause bin, bin ich es auch sonst nirgendwo. Ich darf tatsächlich mal wieder bei mir selbst anfangen und auf die Suche gehen. Was fehlt mir für das Gefühl, in mir zu Hause und geborgen zu sein? Welche Eigenschaften dürfen sich zurückziehen, was darf stärker zu Tage treten? Was von all dem, das mich ausmacht, brauche ich jetzt am meisten? Wo wohnt es in mir und wie komme ich dran?
Wichtig ist dabei erstens die Erkenntnis, dass tatsächlich alles in mir schon da ist und zweitens, das Vertrauen, dass das wirklich stimmt, auch wenn es sich zeitweise überhaupt nicht danach anfühlt. Zuhause bedeutet damit Geborgenheit durch Vertrauen. Das ist eine lebenslange Aufgabe und mitunter echt anstrengend. Aber es lohnt sich, danach zu suchen. Wirklich!
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